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Gentlemen, wir leben am Abgrund

Gentlemen, wir leben am Abgrund

Titel: Gentlemen, wir leben am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pletzinger
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lächelte zurück. Im Frühjahr würden sie sich packende Playoff-Duelle liefern und dann wieder hier sitzen. »Wir werden uns in dieser Saison sicher noch häufiger sehen.«
    Aber weder Luka Pavi ć evi ć , noch Michael Koch noch sonst irgendjemand im Raum konnte wissen, dass es anders kommen sollte.
    Am nächsten Morgen würde Nebel über Bonn liegen und vor dem Hotel würde man das erste Laub fegen. Der Herbst würde kommen, so viel war sicher. Wir würden deutlich gegen Ludwigsburg gewinnen, dann gegen Bayreuth, dann haarscharf und glücklich gegen Oldenburg. Es würde November werden. Wir würden in Ulm stolpern, 77:73, und es für eine heilsame Niederlage halten. Dann würden wir Trier und Düsseldorf schlagen, in Polen gegen Anwil Włocławek gewinnen, bei den Gießen 46ers, gegen die Russen von Krasnye Krylia Samara und die Skyliners aus Frankfurt. Wir würden nach Neapel fliegen und Pepsi Caserta schlagen. Es würde Dezember werden, der erste Schnee würde fallen. Und dann würde es bergab gehen.





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JUSTUS STRAUVEN SUCHT EINEN BESEN

    BERLIN, 7. MAI 2011
    JUSTUS STRAUVEN SUCHT EINEN FOTOGENEN BESEN. Er sucht in den Katakomben der O2 World, er sucht an den Ladedocks, er sucht in den Hinterzimmern des VIP – Bereichs. Kein Besen für den Pressesprecher. Er probiert den Schweiß-Mopp des Hallenwischers aus, aber der ist zu breit und zu wenig Besen für Justus’ Vorhaben.
    Im amerikanischen Basketball nennt man eine zu null gewonnene Serie Sweep, man fegt den Gegner aus der Halle und aus den Playoffs. In Amerika bringen die Fans Besen und Bilder von Besen mit zu den Spielen, in denen ein Sweep möglich ist. Bring out the broom! Holt die Besen raus! Weggefegt werden ist eine Schmach.
    Vor dem dritten Playoff-Spiel gegen Oldenburg liegt eine vage schimmernde Siegesgewissheit in der leeren Halle. Wem man auch begegnet, jeder trägt ein Lächeln im Gesicht. Justus lacht nicht, er sucht den Besen für Facebook. Er will ihn für die Oldenburger digital parat haben, aber kein Besen macht sich vor der Kamera gut genug.
    Vor der Halle warten die Jungs vom Fanclub Block 212 mit Bierbüchsen und gebrauchten Bundeswehrrucksäcken samt Bandbuttons, Katja von der Beeck trinkt süßen Sekt. Großer Jubel als der Mannschaftsbus ankommt, die Sicherheitsleute lächeln zuversichtlich. Die Spieler schlendern durch das Spalier aus ausgestreckten Händen. Sie klatschen ab, sie telefonieren (unter Coach Pavi ć evi ć hatten Telefone ausgeschaltet zu sein).
    Kurz nach den Berlinern hält der Oldenburger Mannschaftsbus am Hintereingang. Gill in Gelb. Der grauhaarige Lukauskis mit Kopfhörern. Schinken Baynes in Flip-Flops. Coach Kruni ć in blauem Anzug,roter Krawatte und mit Aktentasche. »Rot und blau schmückt die Sau«, sagt einer der Jungs mit Rucksack und Bierdose. »Letzter Arbeitstag heute, Coach Kruni ć ?«, fragte ein anderer. Aber die Oldenburger Spieler und Trainer schreiten mitten durch das Berliner Gelächter und hören ihn vor lauter Konzentration und Kopfhörern nicht. »Hochmut und Nachlässigkeit sind saisonale Krankheiten«, sagt Max Drübeck am Eingang zu Block 201, als ich ihn nach seinem Tipp für das Spiel frage. Er hält mir die Tür zur Halle auf. »Einen schönen Nachmittag und gute Unterhaltung.«
    Gute Stimmung auch vor dem Pressetraining gestern. In der Kabine besprachen Heiko und Yassin zunächst in aller Ernsthaftigkeit Bin Ladens Erschießung, dann kam das Gespräch auf Basketball. »Wenn wir trappen, komm früher hoch, Mann!«, sagte Heiko, aber wenn sich Witzbolde wie Heiko und Yassin unterhalten, driftet das Gespräch früher oder später in Albernheiten ab. Sie diskutierten Stevi ć s Ellenbogen, und Yassin lachte: »Ich hau ihn um. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, dann haue ich ihn um.«

    Heiko stellte sich neben Yassin, er arbeitete mit dem Ellenbogen, er zupfte und zerrte am Trikot seines Freundes, er imitierte Stevi ć . »Du darfst nichts machen«, sagte er, »du darfst mich nicht schubsen, du darfst mich nicht schlagen. Nichts. Wenn ich dir eine Bombe haue und du haust zurück, bist du raus!«
    Yassin Idbihi nahm den fast dreißig Zentimeter kleineren Heiko Schaffartzik und hob ihn hoch, Heiko zappelte, beide kicherten irre. »Wenn du mich nochmal so anfasst, dann schreie ich, dann fliegst du aus der Halle, Marrokkaner.«

    Ellenbogen sind besser erzählbar als ein bedeutungsloses 91:47 gegen Düsseldorf. Sportjournalisten sind ständig auf der Suche nach einer guten Geschichte,

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