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Gentlemen, wir leben am Abgrund

Gentlemen, wir leben am Abgrund

Titel: Gentlemen, wir leben am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pletzinger
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um die Verbesserung der Infrastruktur. Heute sieht Marco Baldi aus, als würde Kruni ć s ungeahndete Regelübertretung ein Thema dieses Dialogs sein.
    Zwischen Minute 37 und 39 kann Berlin fünf Angriffe in Folge nicht abschließen, aber Oldenburg punktet konsequent, ein 14:0-Lauf. Derrick Allen gleicht noch einmal zum 80:80 aus, aber dann treffen Paulding, Lukauskis und Gill. 80:90. Alba foult, um in Ballbesitz zu kommen, aber Oldenburg verwandelt seine Freiwürfe sicher. 86:99. Hängende Köpfe nach Spielende, vergebliche Erklärungsversuche. Die Halle war bereit für den Sweep, die Mannschaft war es nicht. Oldenburg hat noch nicht einmal gut gespielt, aber es hat gereicht. Sie haben fast hundert Punkte in der Berliner Halle erzielt. Der vorher unsichtbare Eddie Gill macht27 Punkte. Femerling nimmt mir Notizbuch und Stift aus der Hand und schmiert einen Fluch aufs Papier. »It’s never easy«, sagt Coach Katzurin, »zur Strafe geht’s eben noch mal noch mal nach Oldenburg.«
    »Nicht zu fassen«, flucht Tadija auf Serbisch, »noch mal ans verfickte Ende der Welt.«
    »Wann ist das Spiel?«, fragt Rochestie.
    »Dienstag«, sagt Sven. »20.45 Uhr.«
    »20.45?« Julius birgt seinen Kopf in den Händen. »Da bin ich längst im Bett.«
    Nach Niederlagen verlassen die Spieler die Halle schneller als nach Siegen.
    »Ade, freies Wochenende«, sagt Sven Schultzes Frau Eva.
    »Gut, dass wir den Besen im Schrank gelassen haben«, sagt Justus Strauven. Marco Baldi steht noch eine Weile in einer Journalistentraube an der Bar des VIP – Bereichs und theoretisiert über Konzentration und die emotionale Dichte der Playoffs, und als er Kruni ć und sein Gebaren erwähnt, haben die Zeitungen die Geschichte, die sie brauchen.

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DÉJÀ-VU

    BERLIN, 8. MAI 2011
    DER SONNTAG DANACH. Am Schreibtisch im Trainerbüro bereitet Coach Katzurin das nächste Spiel vor, er liest Statistiken und zeichnet Spielzüge. Durch ein kleines Bullauge kann man in die Halle sehen, Taylor Rochestie trainiert dort schon seit einer Stunde. Völlig nassgeschwitzt dribbelt er hin und her, er umkurvt imaginäre Gegner, nimmt Würfe, singt dabei, spricht mit sich selbst und singt wieder.
    Assistenztrainer und Weissager Bobby Mitev betritt das Büro. »Hier kommt der Mann mit den hängendsten Schultern der Welt, er trägt das Leid dieser Erde auf seinem gebeugten Rücken, er ahnt Fürchterliches«, sagt Konsti, und er hat recht: Bobby ächzt und stöhnt, er schleppt zwei riesige Taschen, eine Plastiktüte mit der Aufschrift JUMBO , seinen Laptop und seine Herrenhandtasche ins Büro.
    »Ich versteh nicht, warum Taylor ausgerechnet jetzt werfen muss«, seufzt er zur Begrüßung. Coach Katzurin sieht von seinen Unterlagen auf. »Was soll er sonst machen, Bobby? Geige spielen? Klagelieder fiedeln?«
    »Er soll den Kopf freikriegen.«
    »Der Junge hat sich eine Nacht lang Vorwürfe gemacht. Und jetzt will er werfen. Er ist Basketballspieler. Wo ist das Problem?«
    »Ich meine ja nur.« Bobby wuchtet sein Gepäck in die Ecke und lässt sich in einen der Sessel fallen. »Ich habe schon mal gepackt. Ich kann jederzeit nach Hause fahren. Ich erwarte, dass sie Eins-gegen-eins spielen. Und wenn sie Eins-gegen-eins spielen, sind wir tot. Dann gewinnen wir dieses Spiel nicht. Ganz zu schweigen von der Serie.«
    »Am besten kommt man ohne Erwartungen zurecht, Bobby.«

    Berlin leuchtet. Die ersten Mücken, stechend blauer Himmel und die Sonne steil auf der Tartanbahn hinter dem Trainingszentrum. Eigentlich ein perfekter Sommersonntag, aber Katzurin hat die Mannschaft in der Kabine des Trainingszentrums zusammengerufen. Die Sonnenbrillen, Sommerhemden und Flip-Flops täuschen. Die Mannschaft ist hier, um zu arbeiten. Sie ist hier, weil sie im letzten Viertel nachlässig den Sieg verschenkt hat. Die Mannschaft sitzt bei weit geöffneten Fenstern in der Kabine und muss sich das gestrige Spiel in voller Länge ansehen, ein ständig unterbrochenes Déjà-vu, Konsti spult immer wieder zurück. Auf dem Bildschirm spielt Ricky Paulding Eins-gegen-eins gegen Lucca Staiger und Staiger verliert. Coach Katzurin sagt, was auch Coach Pavi ć evi ć sagen würde: »Es ist klar, dass Paulding ihn schlägt. Das ist offensichtlich. Das ist sonnenklar. Go on, Konsti.«
    Konsti drückt auf Play, Bobby schüttelt den Kopf. Eddie Gill macht zwei seiner 27 Punkte, und Coach Katzurin nimmt den frisch geduschten Taylor Rochestie ins Visier. »Taylor!«, sagt er und spricht den Namen falsch

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