Gentlemen, wir leben am Abgrund
sichtbar selbst via Twitter. »Der Mann, der für seinen Job bezahlt wird und ihn nicht erledigt, ist weniger wert als sein Geld.« Die Journalisten reagieren wie immer. Die BZ hatte sich nach der Zwei-zu-Null-Führung noch in Lobeshymnen ergangen, von der Meisterschaft gesprochen und Rochestie gottgleich in Versalien gesetzt (»Dank Ihm holt Alba in allen Bereichen auf und darf vom Titel träumen. Jetzt müssen sogar die Überflieger aus Bamberg zittern.«). Rochestie diktiert Frank Weiss die längste Headline der Saison. »Wie ich in den Playoffs spiele, ist ein Witz. Ich muss sofort besser spielen oder ich kann nach Hause gehen.« Taylor ist innerhalb von einer Woche von »Rakete Rochestie« zu »Wackel-Rochestie« geworden. Die Bildzeitung nennt die Mannschaft »die Bocklosen« und spricht bereits wieder vom Scheitern des Trainers. Die Spieler lesen die Sportteile nicht mehr. Sie wissen selbst am besten, dass sie keine gute Figur abgegeben haben. Sie wissen, dass die Serie jetzt entschieden wird.
Coach Katzurin leitet das letzte Training selbst. Er findet im Mittelkreis klare Worte. »Freunde. Oldenburg. Spiel fünf. Ich kann diese Mannschaft nicht mehr sehen. Jetzt gilt es. Jetzt und nicht gestern, jetzt und nicht morgen. Jetzt ist jetzt: Do it. Do it!« Er nennt die Schlüssel zum Sieg: »Erstens: Rebound. Rebound! Zweitens: gute Defense! Verteidigung! Wir müssen ihre Zweier-Quote senken! Drittens: Konzentration! Kon-zen-tra-tion, Jungs!«
Bei der letzten Videoanalyse reden die Spieler hitzig durcheinander, sie reden über das letzte Viertel und ihre Verteidigung, sie sprechen über die letzten Sekunden. Julius Jenkins bleibt in der Kabine sitzen, er schüttelt den Kopf und flucht. »Am Sonntag müssen wir uns ihnen verdammt noch mal in den Weg stellen, wir müssen das Offensivfoul annehmen, wir müssen uns opfern.« Beim letzten Trainingsspiel lässt der Coach die Starting Five gegen die zweite Fünf spielen.
Patrick Femerling sitzt gereizt auf der Bank. Er hat mit der Mannschaft Video gesehen, er hat sich mit der Mannschaft aufgewärmt, er ist mit der Mannschaft gerannt. Aber jetzt muss er vom Spielfeldrand aus zusehen, wie die anderen elf Spieler spielen. Coach Katzurin hat ihm gerade ausrichten lassen, dass er in einem entscheidenden Spiel nicht seine Taktik ändern wird, um den verletzten und jetzt wieder gesunden Center zu integrieren. Er würde auf der Bank sitzen, aber aller Voraussicht nach nicht spielen. »He won’t start rotating for you«, hat Bobby ihm übermittelt. Femerling hat seinen Stolz, er will der Mannschaft helfen, jetzt sitzt er störrisch auf der Bank. »Wir gewinnen Sonntag«, sagt Coach Bobby und klopft dem Kapitän auf die Schulter, »und dann sieht das alles schon wieder ganz anders aus.«
»Und wie?«, fragt Femerling.
»Dann bist du wieder dabei.«
Das Trainingsspiel endet 11:0. Weiß gewinnt gegen Blau, die erste Fünf verliert gegen die Bankspieler. Coach Katzurin steht nach Spielende als Erster im Mittelkreis. »This is embarassing, guys«, sagt er. »Es sind Playoffs und manche von euch drehen ihr Spiel noch immer nicht auf.« Coach Katzurin verschwindet zügig im Trainerbüro, noch ehe die Mannschaft die Fäuste zusammenhalten kann.
Als wir den Raum betreten, hat er bereits seine Papiere zusammengesucht und ist schon halb zur Tür hinaus. Katzurin ist nur für wenige Monate hier. Er ist Pragmatiker. Sein Tisch sieht immer noch aus wie Luka Pavi ć evi ć s Tisch, sogar die Schnapsflasche steht noch an der gewohnten Stelle. Jeden Abend packt Coach Katzurin seine Sachen und verschwindet. Er ist ein Brandstifter mit Vier-Monats-Engagement, er soll bei Alba das Feuer neu entfachen. Über eine vorzeitige Vertragsverlängerung spricht niemand, am wenigsten Coach Katzurin selbst. Man wolle nach der Saison reden, sagt er, das sei so verabredet.
Coach Katzurin ist Realist. Er kennt das Geschäft, er gibt sich ruhig und gelassen. Und er zögert nicht. Innerhalb von Sekunden entscheiden Konsti und er, Raduljica aus der Startformation zu nehmen und ihn durch Idbihi zu ersetzen.
»Baynes foult sich schwach gegen Yassin«, erklärt Konsti den Plan. »Gegen den hat er immer Probleme gehabt. Und dann haben wir Miro gegen McNaughton. Wie wäre das, Coach?«
»Sehr gut. Sonst noch was?« Muli lehnt am Türrahmen, seine Tasche in der Hand.
»Derrick für Tadija. Derrick braucht das, und wir brauchen Derrick.«
»So we change it. Derrick für Tadija. Alles?«
»Coach, wir
Weitere Kostenlose Bücher