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Gentlemen, wir leben am Abgrund

Gentlemen, wir leben am Abgrund

Titel: Gentlemen, wir leben am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pletzinger
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mit dem Schlimmsten. »One thing I’ve learned in twenty-nine years of playing tennis: Life will throw everything but the kitchen sink in your path«, Pavi ć evi ć hob den Kopf und sah mir direkt in die Augen. Er wiederholte, was er vorhin schon einmal gesagt hatte. Er war davon überzeugt. »And then it will throw the kitchen sink.«

    Vielleicht ahnte er in diesem Augenblick im Bus bereits, dass er seine Mannschaft verlieren würde, dass ihm seine eigenen Muster und Regeln zum Verhängnis werden könnten, dass er die Zeichen nicht richtig gelesen hatte. Die Mannschaft lief mittlerweile durch den Frost zur Tankstelle, die Spieler lieferten sich eine Schneeballschlacht zwischen den Bussen und Lastwagen. Vielleicht ahnte Coach Pavi ć evi ć , dass er seinem Team aus der Ferne dabei zusehen würde, wie es die gemeinsam begonnene Saison zu Ende brachte. »It’s your job to avoid the obstacles«, las er. »If you let them stop you or distract you, you’re not doing your job, and failing to do your job will cause regrets that paralyze you more than a bad back.« Luka Pavi ć evi ć klappte das Buch zu und schlug mir auf die Schulter. »Let’s go. Let’s have a sausage or something.«



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BUILD A ROCKET BOYS!

    BERLIN, 15. MAI 2011
    FEMERLING FÜHLT SICH WIEDER FIT, er will zurück ins Team, er will seiner Mannschaft helfen. Schaffartzik hat seinen blockierten Rücken ein paar Tage lang manipulieren lassen, jetzt trainiert er wieder, und auch McElroy kann sich wieder bewegen. Coach Bobby schleppt immer noch seine Taschen und Koffer durch die Gegend, ständig bereit zur Abreise Richtung Skopje. Mithat hat geschworen, dass er ihn auf die Tribüne verbannt, wenn er weiter mit seinen pessimistischen Schultern auf der Bank sitzt. Bryce Taylor läuft nur noch in seinen Trikothosen der University of Oregon herum, weil er damit das Glück auf sich zieht.
    »Ich setze mich jetzt fünf Tage lang im Schneidersitz vor den Bus«, sagt Konsti, »ich schlafe nicht und rede mit niemandem.« Nachmittags fragt er dann, ob ich Kaffee trinken wolle. »Aber keine Fragen mit ›Wieso habt ihr nicht…?‹ und ›Wieso macht ihr nicht…?‹« Yassin Idbihi lacht noch mehr als sonst, Derrick Allen sieht aus, als würde er zu wenig Schlaf bekommen. »Gentlemen, wir leben am Abgrund«, hatte Luka Pavi ć evi ć gesagt, ehe er ging.
    Die Faszination einer solchen Serie ist überall spürbar. Wir haben in dieser Saison bereits sechsmal gegen Oldenburg gespielt. Das nächste Spiel gegen Oldenburg wird das letzte Spiel gegen Oldenburg sein. »We play like pussies«, hatte Luka Pavi ć evi ć im ersten Viertel des ersten Spiels gebrüllt. Seine Flüche haben ihn überlebt, die Jungs haben den Coach noch längst nicht vergessen. »We play like a bunch of women«, lachen die Spieler jetzt mit Balkan-Akzent. »Gay women! With dicks!« Es liegt Angst in der Luft. Vorfreude. Erleichterung über das Ende der Bedeutungslosigkeit und der Monotonie der regulären Saison. Der Nervenkitzel des möglichen Scheiterns. Man kann die Untiefen ahnen, in die ein Ausscheiden führen würde.
    Vor dem fünften Spiel liegen die Nerven blank. Die Bärte sind gewachsen, die Gesichter verlottern. Die Mannschaft rasiert sich seit Playoff-Beginn nicht mehr. Femerling und Schaffartzik sieht man den Bart nicht an, aber Schultze, Allen und Jenkins sind bereits zugewuchert. Bryce Taylor sieht mit seinen Dreads und dem ausgefransten Bart aus wie Thelonious Monk am Klavier. Bis zum fünften und entscheidenden Spiel gegen Oldenburg waren es fünf lange Tage.
    »Wir brauchen unbedingt Regen«, sagt Bobby, als er mit seinem Gepäck in der Schützenstraße ankommt. »Das Spiel ist zu weit weg. Wir brauchen Regen, sonst sitzen die Spieler die ganze Zeit in der Sonne und trinken Espresso.« Bobby hält die spitzen Finger an den Mund, als halte er eine Espressotasse. »Wir brauchen unbedingt Regen!«
    »Basketball ist eine Hallensportart, Bobby«, sagt Muli.
    Taylor Rochestie will Druck. Er weiß, dass er nicht gut spielt. Er will besser sein. Er ermahnt sich, er flucht, er verspricht sich selbst den Wandel. Er will Dringlichkeit, also greift er zu den Methoden, die er kennt. Im Training wirft er wenig und versucht, den Rhythmus des Spiels wiederzufinden. Er passt viel. »Shoot, shoot, shoot!«, rufen die Jungs. Heiko und er sprechen die Sache durch. Er braucht den Druck. Er hat auf der Rückfahrt im Bus gesessen und sich selbst beschimpft, dann kasteit er sich für alle

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