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Gentlemen, wir leben am Abgrund

Gentlemen, wir leben am Abgrund

Titel: Gentlemen, wir leben am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pletzinger
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sieht auf das Board, das Konsti vorbereitet hat. Dann zuckt er mit den Achseln. »Aber es tut mir leid, es gibt nichts Neues. Es sind immer noch Playoffs. Es ist immer noch dieselbe Mannschaft, die selben Spieler. Es sind immer noch dieselben Schlüssel zum Sieg. Wir wollen die Rebounds! Bei Rebounds gibt es kein Grau. Es gibt nur Schwarz oder Weiß. Entweder wir haben den Rebound oder wir haben ihn nicht. Und Geduld! Konzentration! Energie! Den Fast-Break stoppen! Keine einfachen Körbe zulassen! No easy baskets! «
    Coach Katzurin wiederholt die Änderungen. Heute werden die großen Spieler nicht aggressiv auf die kleineren Oldenburger gehen, sie sollen lediglich den Weg zum Korb verhindern. »Niemand geht direkt zum Korb. Niemand!«, sagt er, »Niemand. In diesem Spiel geht es nicht darum, Punkte zu machen. Der Schlüssel ist die Verteidigung. Sie müssen weniger Punkte machen als wir.« Im Angriff verlangt der Coach Geduld, in der Verteidigung will er Druck auf das ganze Feld.
    Coach Katzurin wiederholt alles, und die Spieler sitzen vor ihren Schränken wie Rennpferde in ihren Boxen. Der Coach wollte sich kurz fassen, aber jetzt wandert er seit zehn Minuten durch die Kabine. Dann steht er wieder in der Mitte. Er wartet noch einige Sekunden. »Guys. Es gibt kein nächstes Spiel mehr gegen diese Mannschaft. Es gibt heute kein Zögern. Es ist jetzt an der Zeit, ein Zeichen zu setzen. Let’s go!«
    Und die Mannschaft setzt ein Zeichen. Im ersten Viertel ist das Spiel knapp, aber Konstis Idee geht auf. Idbihi und Baynes werden fast gleichzeitig auf die Bank geholt und Miro Raduljica ist McNaughton tatsächlich überlegen. Er punktet nach Belieben.
    Im zweiten Viertel hat Alba eine Reihe von Ballgewinnen und legt eine 13:1-Serie hin. Alba verteidigt, reboundet und trifft, zur Halbzeitsteht es bereits 50:32, Jenkins macht 15 Punkte. »Wir führen beim Rebound 23 zu 16«, sagt Katzurin in der Halbzeit. »Jetzt stellen wir die Anzeige auf Null und gewinnen nochmal! Gewinnen wir die zweite Hälfte! Genauso bei den Lay-ups. No easy Lay-Ups! Die erste Hälfte war gut, aber wir müssen das in der zweiten Hälfte genauso machen. Ganz genau so!«
    Im dritten Viertel bäumen sich die Oldenburger noch einmal kurz auf, sie kommen auf 14 Punkte heran, aber sofort zieht Alba wieder davon. Eine erste spärliche Welle plätschert durch die Halle, Wowereit freut sich. Die Oldenburger scheinen ihre Kräfte verbraucht zu haben, selbst Kruni ć kann sich nicht mehr aufregen. Das Spiel ist gebrochen (Luka Pavi ć evi ć hätte bei 7:33 Minuten auf der Uhr die Anzugjacke vom Stuhl genommen und mit Blick ins Rund der Halle wieder angezogen). Die Oldenburger Saison ist vorbei.

    »Das war eine exzellente Vorstellung unter Druck. Gute Reaktion. Ich bin sehr stolz auf euch!«, sagt Coach Katzurin. Nach dem Spiel werden die Highlightszenen auf dem Bildschirm der Kabine gezeigt, die Jungs sehen ihre Aktionen zum ersten Mal selbst. Auf der Tribüne jubelt der Bürgermeister. »I’m on TV !«, schreit Tadija, als er seinen Dunk gegen Stevi ć aus der ersten Hälfte sieht, »I’m on TV !« Taylor Rochestie singt wieder, er ist sichtbar erleichtert. Heiko krakeelt wie ein kleines Mädchen.
    »Heiko Schaffartzik ist homosexuell!«, grölt jemand wie ein Fußballfan.
    »Schwul!«, antwortet ein anderer.
    »’türlich, ’türlich«, singt Schultze.
    »Sicher, Dicker!«, antwortet Femerling.
    »’türlich, ’türlich.«
    »Alles klar!«
    Die Spieler werfen ihre Trikots in die Mitte der Kabine. Sie befreien ihre Knöchel, der Tape-Cutter fliegt durch die Gegend. Und plötzlich steht Bürgermeister Wowereit in der Kabine, samt Kameras und Printjournalisten und Radio. Er trägt rote Schuhe, die Amerikaner lächeln ihr pressetauglichstes Lächeln. Baldi stellt den Bürgermeister vor, und Wowereit hält eine kurze, sendefähige Rede. Dann ist er wieder verschwunden.
    »Wisst ihr, wer das war?«, fragt Schaffartzik die Amerikaner, als Bürgermeister und Kameras verschwunden sind.
    »Der Bürgermeister von Berlin?«
    »Der schwule Bürgermeister von Berlin.«
    »Berlin hat einen schwulen Bürgermeister? Das würde bei uns …«
    »Ein schwuler Bürgermeister in unserer Kabine?«
    »Ich bin nackt!«





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52:103

    BAMBERG, 18. DEZEMBER 2010
    DIE LETZTEN 34 TAGE seiner Zeit als Coach von Alba Berlin begann Luka Pavi ć evi ć mit einer Grundsatzrede. Wir waren zurück in Bamberg. Diesmal mit eigenen Zahnbürsten. Nach der 36-Stunden-Rückreise aus

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