Gentlemen, wir leben am Abgrund
wann verlängert sich seine Spielzeit?«).
Die alte Debatte um Luka und die Deutschen wurde wieder aufgewärmt. Pavi ć evi ć hatte immer betont, Spieler ausschließlich nach ihrer Leistung aufzustellen. Nicht nach Hautfarbe, nicht nach Pass, nicht nach Alter. Pavi ć evi ć s Regel war: Wer gut spielt, bekommt Einsatzzeit. Wer gewinnen will, muss die besten Spieler einsetzen.
Pavi ć evi ć brauchte den Erfolg, aber die deutschen Medien brauchten deutsche Identifikationsfiguren. Staigers Frisurwechsel wurde dankbar als Symbol für Pavi ć evi ć s falsche Personalentscheidungen verstanden. Der Junge wurde interviewt und entsprechend ungünstig zitiert. Die BZ sprach vom ehemaligen Alba-Spieler Philip Zwiener, der unter Pavi ć evi ć selten gespielt hatte, aber dann in Trier zum zweitbesten deutschen Werfer der Bundesliga geworden war.
Pavi ć evi ć war wütend. Weniger auf Staiger, sondern auf die sich immer wiederholende Dummheit der Debatte. Der Coach war der Meinung, dass Staiger nicht gut genug verteidigte. Also spielte er wenig.
»Staiger kommt rein und macht nicht das, was er soll, also kommt er wieder raus. Dann macht er ein Drama, er findet Wenns und Abers. Er sollte aber in der Halle sein und sich ins Team hineinkämpfen. Und was macht er? Er kämpft zart vor sich hin. So erreicht er nichts«, hatte der Coach kommentiert. »Und wir wollen hier etwas erreichen.«
Unter den russischen Lampen im Bamberger Konferenzsaal trat Coach Pavi ć evi ć unrasiert und im grauen T-Shirt vor die Mannschaft undwurde ungewohnt prinzipiell. »Gentlemen. Es gibt Leute, die ihre Aufgabe erfüllen, und es gibt Leute, die das nicht schaffen«, sagte er und lief langsam durch den Saal. Die Spieler waren bereits für das wichtige Spiel am Abend angezogen. Pavi ć evi ć würde sich später rasieren und duschen und seine Liegestütz machen.
»Es gibt Leute, die erreichen in ihrem Leben etwas. Und es gibt Leute, die erreichen nichts. Ich habe nichts gegen diese Leute, aber sie sind anders als wir. Sie sind durchschnittlich.«
Der Coach schaltete den Fernseher aus, auf dem bereits Bilder der Videoanalyse liefen, Bamberg gegen Rom, Bamberg gegen Piräus. »Ich habe euch gebeten, nicht durchschnittlich zu sein. Aber ihr habt an Konzentration eingebüßt und die Wachsamkeit verloren. Eure Widerstandskraft schwindet. Ihr vernachlässigt das, was uns schützt. Ihr sucht Ausreden. An den Schultern eurer Frauen, an den Schultern der Journalisten. Ihr habt Caserta als Ausrede genutzt.«
Jetzt wurde der Coach konkreter, er stand direkt vor den Spielern. »Wer unsere letzten Spiele gesehen hat – und das Braunschweig-Spiel war im Fernsehen, das haben alle gesehen –, wird jetzt mit Blöcken gegen uns arbeiten. Die ganze Liga weiß das: Wenn Staiger spielt, attackiere ihn mit einem Block. Wenn Marinovi ć spielt, attackiere ihn mit einem Block.«
Die Tür ging auf und zwei Hotelangestellte rollten Kaffee und Kuchen in den Saal. »Die Herrschaften«, sagte der eine. »Der Snack«, sagte der andere. »Wohl bekomm’s«, sagten beide im Chor. Die Spielerköpfe drehten sich zu den beiden um. Der Coach sah kurz zu Boden, er rang um seine Fassung. Er beobachtete die verirrte Konzentration seiner Spieler. Die Worte des Sportpsychologen und das Andre-Agassi-Buch schienen in ihm zu arbeiten. Wie ein Lehrer wartete er nun ab, bis die Spieler sein Schweigen bemerkten und sich wieder auf ihn konzentrierten.
Dann wechselte er zum Wir, er redete plötzlich persönlicher als sonst. Motivationsreden gehörten eigentlich nicht zu Pavi ć evi ć s Methoden. »Profibasketball ist ein Business und kein Film«, hatte er mir erklärt. »Man kann solche Reden nicht sechzig- oder siebzigmal in der Saison reproduzieren, sonst wird die Rede lächerlich.«
»Eine gute Ansprache enthält einfache Informationen, maximal dreiverschiedene Inhalte«, hatte mir auch Konsti erklärt. »Nicht jeder Spieler versteht alles, nicht jeder kann sich alles gleich gut vorstellen. Deswegen arbeiten wir auch mit den Boards und den Scouting-Berichten, da steht alles drauf. Für diejenigen, die Informationen besser lesend aufnehmen. Luka arbeitet in den Besprechungen seltener mit Emotion, eher mit Ratio und Intellekt. Es gibt Trainer, die sprechen ganz bewusst unter ihrem Niveau, um die Spieler anzustacheln.« Die deutschen Nationalspieler im Team hatten mir erzählt, dass der Bundestrainer Dirk Bauermann jede vierte Ansprache mit »Let’s go out and rip’em a new
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