Gentlemen, wir leben am Abgrund
ist sicher. Ich möchte mich bei jedem Einzelnen von euch bedanken. Ich wünsche euch Erfolg. Wie es im Sport nun mal so ist, werden wir uns wiedersehen. Ich danke euch.«
Luka Pavi ć evi ć ging auf seine Spieler zu. Er gab Hollis Price die Hand. Schulterklopfen mit Schaffartzik. Der Coach reichte Lucca Staiger die rechte und legte ihm die linke auf die Schulter. Dann stand der Coach vor seinem Kapitän. Er umarmte den Kapitän, und der Kapitän umarmte den Coach. Zwei Männer, die viel voneinander hielten und es nur selten ausgesprochen hatten. Der Coach umarmte Yassin Idbihi. Tadija Dragi ć evi ć küsste den Coach, wegen dem er nach Berlin gekommen war, links, rechts, links. Marko Marinovi ć genauso. Der Coach machte die Runde. Zuletzt umarmte er Tommy, den zähesten Spieler, den er im Team hatte. Die beiden hielten sich kurz fest, »Tommy, my man«, sagte Luka Pavi ć evi ć und wartete noch eine Sekunde. Hätte man genau hingesehen, wären einem die Tränen in den Augen der Männer im Mittelkreis aufgefallen. Dann ließ der Coach Tommy los. Er trat einen Schritt zurück und hielt seine Faust in die Höhe. Huddle. Die Spieler machten einen Schritt auf Luka Pavi ć evi ć zu.
One
two
three
Alba!
sagte Femerling. Die Fäuste sanken, der Coach nickte und ging dann quer durch die Halle. Er drehte sich nicht um, er ging und verschwand im Trainerbüro. Baldi folgte ihm.
Die Spieler sahen den beiden nach, sie sahen, wie die Tür hinter ihrem Trainer zuschlug. Dann brach Hollis Price das Schweigen.
»Das«, sagte der Aufbauspieler, »das habe ich nicht kommen sehen.«
»Ruf mich an, writer«, sagte Luka Pavi ć evi ć und zog sich die Wollmütze über die Ohren. Er lächelte jetzt deutlicher. Der Coach schien ganz bei sich zu sein. Er hatte seine Beurlaubung geahnt, jetzt war die AhnungRealität geworden. Er wirkte gleichermaßen traurig und erleichtert. Er hatte seinen Schreibtisch aufgeräumt. Er hatte die fein säuberlich aufgefächerten Materialien zu den anderen Mannschaften zusammengestrichen und in eine dieser blauen Ikea-Taschen gepackt. Seine Unterlagen, Videos, sein Playbook und seine Philosophiepapiere lagen durcheinander zwischen seinen Füßen. Nur die Schnapsflasche mit dem Basketballspieler ließ er stehen. Coach Pavi ć evi ć verabschiedete mich, wie serbische Männer sich verabschieden, Kuss links, Kuss rechts, Kuss links. »Ich bin ein großer Mittagesser«, sagte Luka Pavi ć evi ć . »Es gibt Geschichten zu erzählen und Bücher zu besprechen.« Dann öffnete er die Tür des Trainingszentrums von Alba Berlin, wuchtete die Ikea-Tüte mit all seinen Ideen und Plänen auf die Schulter und trat hinaus in die Kälte und den leuchtenden Schnee.
Im leeren Büro saß Bobby und plapperte ohne Punkt und Komma. »Das ist der Job«, sagte er. »Das ist der Job. Als Trainer sitzt du immer auf einem dreibeinigen Stuhl. Und ehe du dich versiehst, kippt er um.« Bobby klappte seinen Laptop auf und plapperte weiter, serbisch, englisch, polnisch, er schien etwas zu suchen. »Gordon Herbert aus Frankfurt«, sagte er. »Svetislav Peši ć vielleicht, Pini Gershon von Maccabi«, sagte er, »kommen alle infrage.« Dann hatte er gefunden, was er suchte. »Listen!« , sagte er und drückte auf Play. »Das ist für dich, Coach«, sagte Bobby und sang leise mit. »Haris Dzinovi ć . Nije Mene Dušo Ubilo. « Das, meine Seele, bringt mich nicht um. Konsti kam aus der Dusche, sah Bobby singen und schüttelte den Kopf. Er packte seine Sachen und tippte auf seinem Telefon herum. Dann ging er zu Luka Pavi ć evi ć s leerem Schreibtisch. »Ich habe mit ihm das Spiel neu verstanden«, sagte er. Konsti versetzte den weißen Ledersessel seines ehemaligen Cheftrainers in Schwung, der Stuhl drehte sich langsam und blieb dann stehen. Bobby spielte mittlerweile Monthy Pythons Always Look on the Bright Side of Life. »Spielanalyse. Das Auge für die Dinge. Das Auge für die entscheidenden Dinge. Das Spiel richtig zu lesen und zu verstehen. Ich glaube, wir haben das alle von ihm gelernt.« Konsti hob seine Tasche auf. »Ich fahre dann mal zum All-Star-Spiel. Dann sehen wir weiter.«
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TRANSITION
SEVILLA, 1. FEBRUAR 2011
WIR WAREN IN SEVILLA, und die Stadt leuchtete pink. Es war sieben Uhr morgens, vor meinem Hotelfenster im 15. Stock mit Blick auf die Peripherie von Sevilla ging die Sonne auf. Auf der Schnellstraße zog sich ein Autostrom Richtung
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