Gentlemen, wir leben am Abgrund
of Oklahoma gespielt, in einem Team mit Eduardo Najera, dem einzigen Mexikaner in der NBA . Er war blitzschnell gewesen, mit einem unkonventionellen, aber sicheren Dreier.
Schon in seinem Freshman-Jahr war Hollis Starter geworden, er erinnerte sich genau. »An einem 23. Dezember im Spiel gegen Cincinnati, mit Kenyon Martin, später New Jersey und Denver.« Der Gedanke an eine Profikarriere war ihm erst in seinem dritten Jahr am College gekommen, als er seine Mannschaft als Junior ins Final-Four der NCAA – Meisterschaft in Atlanta führte, sagte Hollis, aber man sah, dass er diesen Gedanken schon oft so oder so ähnlich formuliert hatte, wieder und wieder. Er bedeutete nichts mehr. Hollis war ins All-American-Team gewählt worden, er hatte zu den zehn besten Collegespielern Amerikas gehört.
Hollis Price sah aus dem Fenster auf den rostigen Containerkindergarten und die struppigen Palmen von Sevilla. Er zögerte. Er verstand Nostalgie. Er setzte neu an.
»Das Halbfinale war das schlechteste Spiel meines Lebens«, sagte er. »Ich bin niemand, der ständig zurückblickt, aber wenn ich mein Coach von damals wäre, würde ich einiges anders machen. Wir sollten uns damals nur auf das Spiel konzentrieren. Deshalb wohnten wir irgendwo in der Nähe des Flughafens, anderthalb Stunden entfernt von der Halle. Weitab von all dem Trubel, der Presse, dem Spektakel. So wie hier.«
Hollis lachte jetzt wieder, er lachte laut. Der dicke Rezeptionist des Hotels sah zu uns herüber, als wolle er uns ermahnen. »Ich habe auf dem Weg zu meinem Final-Four-Spiel fast zwei Stunden im Bus geschlafen. Vor dem wichtigsten Spiel meines Lebens! Ich habe dem Coach das neulich beim Mittagessen in Vegas einmal gesagt. Coach Sampson, habe ich gesagt, wenn wir uns nicht so verbissen konzentriert hätten, wären wir weitergekommen. Wir hätten das alles genießen sollen.« Hollis hatte gesagt, dass er nur selten zurückblicken würde, aber er erinnerte sich an jedes Detail. »Ich habe fürchterlich geworfen, einen von zehn. In den ersten fünf Minuten habe ich den Ball nicht berührt. Einen einzigen Dreier habe ich getroffen. Horrible.« Hollis gestikulierte und winkte den vorwurfsvollen Concierge zu uns herüber. Er bestellte Wasser. Er lachte laut, er sah mich direkt an, er machte eine Pause, bis das Wasser kam, er lachte, als wäre das bedeutendste Spiel seiner Collegekarriere tatsächlich völlig unwichtig. Als wäre Basketball nicht die eigentliche Geschichte. »Das Halbfinale 2002 in Atlanta war das erste Spiel, das meine Mutter jemals von mir gesehen hat. Das schlechteste Spiel meines Lebens.«
Hollis war in New Orleans, als der Hurricane Katrina 2005 die Stadt traf und den Ninth Ward fast komplett zerstörte. »Katrina hat alles zerlegt, was wir hatten. Meine Großeltern sind schon ein paar Tage vorher nach Atlanta gefahren. Meine Freunde und ich haben bis zuletzt gewartet. Irgendwann habe ich den Fernseher angemacht. Der Reporter war völlig durcheinander, sein Hemd flatterte und die Palmen hinter ihm flogen weg. Da sind wir ins Auto gesprungen und nach Houston gefahren. Wir haben alle überlebt, aber der Ninth Ward war weg. Natürlich gab es keine Deiche, natürlich kam die Hilfe viel zu spät. Vor Katrina sah das Viertel fürchterlich aus, danach wurde viel neu gemacht. Aber die Leute, die dort wohnen, sind arm. People will be people. Wenn man da heute hinfährt, sieht es genauso schlimm aus wie vorher.« Hollis’ Geschichte ist die Geschichte unzähliger schwarzer Jungs, die ihre Hoffnung auf die unwahrscheinliche Möglichkeit einer Karriere als Profibasketballer setzen. Die Hoffnung ihrer Familien aus vernachlässigten Infrastrukturen inmitten der amerikanischen Städte. Die wenigsten erreichen ihr Ziel, die meisten bleiben, wo sie sind. Die Verhältnisse bleiben, wie sie sind.
Hollis ist eine seltene Ausnahme. »Ich bin dann aus Atlanta nach Berlin geflogen. 2005 war das. Ich hatte drei Boxershorts dabei.«
Jeden Sommer kehrte Hollis nach Houston zurück. Er war seit acht Jahren Profi und verdiente in Europa genug Geld, um davon seinen Großeltern und sich Häuser kaufen zu können. »Eigentlich seit zwölf Jahren«, korrigierte er sich. »Am College arbeitet man wie ein Profi, manwird nur nicht bezahlt. Im College spielt man aus Liebe zum Spiel«, sagte Hollis. Nach seiner Collegekarriere war Hollis nicht gedraftet, sondern direkt nach Le Mans vermittelt worden. Sein Agent war Guy Zucker, ein findiger Israeli.
2005/06 spielte
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