Geographie der Lust
betrachtete diesen ihren Besitz. Kein Philatelist betrachtet die Zacken seiner Briefmarken so genau wie Laura jede Pore der dutzendfach eingeschäumten und wieder und wieder vom Wasserstrahl der Dusche gewaschenen Hinterbacken. Sie beklatschte sie sogar mit der Hand, um die rötlichen Färbungen aufeinander abzustimmen. Dann ließ sie kühles Wasser darüberfließen und knetete die fleischigen Wölbungen. Diese waren so rund, als hätte Gott, der Herr, einen Zirkel benutzt.
Als Omai O'Hara, gefolgt von Robusti, den Raum betrat, in dem Laura auf ihn wartete, blieb er für einen Augenblick entzückt stehen. Sie trug jetzt jenes schwarze Wollröckchen, das nicht länger als das einer Eiskunstläuferin und zudem in Mode war, eine anthrazitschwarze Seidenbluse und gestreifte Strümpfe in Grün und Rot. Sie hielt die Arme steif und kindlich, die Hände zu Fäusten zusammengeballt, das Haar hatte sie zu einem Turm aus Locken aufgebaut; kleine Plastikkämme in allen geschmacklosen Farben waren in diesen Haarturm geklemmt; gerade diese auserlesene Schlampigkeit erhöhte den Reiz.
O'Hara entgingen natürlich auch jene Reize nicht, derentwegen sie gleichsam auserkoren war.
Er stellte die beiden silbernen Köfferchen ab, verbeugte sich, und Laura reichte ihm die Hand wie eine deutsche Gesellschaftsdame, die einen Handkuß erwartet.
»Du bist Laura. Ich bin Omai O'Hara, lebe in Santa Monica und in Santa Fe. Ich bin verheiratet, habe drei Kinder. Alle stammen von mir.«
Robusti zuckte zusammen.
»Zieh dich aus, mein Kind«, sagte O'Hara.
Laura entkleidete sich ohne Hast und summte vor sich hin. Omai O'Hara öffnete seine Köfferchen, überprüfte nachdenklich den Inhalt und pfiff die nämliche Melodie, die Laura vor sich hin summte.
Er betrachtete sie wie ein Stück Fleisch; und mehr als Material für ein zu schaffendes Kunstwerk bedeutete sie ihm auch gar nicht.
»Haut ist heilig«, sprach O'Hara wie zu sich selbst. Dann wandte er sich um.
»Also, nun knie dich auf das Bett. Nein, hier. Auf der linken Seite, wegen des Lichts, ja, den Kopf ins Kissen gebettet, ist bequemer so. Nun das Kreuz durchbiegen und das Gesäß in die Höhe. Du mußt dich bequem fühlen. Solltest du dich ängstigen, so kann ich dich hypnotisieren.«
O'Hara betrachtete Lauras Pracht professionell, prüfte die Festigkeit des Fleisches, fuhr mit den beiden Daumennägeln alle Rundungen entlang und nickte.
»Bitte stehen Sie nicht da wie eine Säule«, sagte er zu Robusti. »Begeben Sie sich auf eine Distanz von drei Metern. Ihr schwerer Atem ist bis hierher zu vernehmen. Danke für die Rücksichtnahme.«
O'Haras Inspektion wiederholte sich, noch intimer, wie Robusti festzustellen glaubte: die Finger der rechten Hand auf der rechten Backe und die linke Hand auf der linken Backe, als wären es Früchte, die gar nicht zu diesem Baum gehören.
»So«, bemerkte der Meister, »nun können wir eigentlich beginnen.«
Er erhob sich federnd und öffnete das zweite Metallköfferchen, entnahm ihm ein Malkästchen mit neun winzigen Porzellangefäßen, von denen jedes eine andere Farbe enthielt, und ein durchsichtiges Plastiketui, in dem sterilisierte Tätowierstifte mit Spitzen von kaum einem halben Millimeter Durchmesser lagen.
O'Hara sagte: »Noch eine berufliche Formalität: Sie, Signore Robusti, bleiben also bei Ihrem Entschluß, die Weltkugel auf die beiden Halbkugeln tätowieren zu lassen.«
»Jawohl«, antwortete Robusti, als stünde er vor einem Standesbeamten.
»Und Sie, Signorina Laura Granati, sind auch damit einverstanden?«
»Ja, selbstverständlich«, sagte Laura.
»Das ist kein Spaß, das ist Kunst, und sie wird nie mehr zu entfernen sein. Hast du das begriffen?«
»Ja«, sagte Laura, diesmal lauter.
»Gut. Schauen Sie«, begann Omai O'Hara und wandte sich zu Robusti um, »auf diese beiden Papierfetzen, transparent, nicht wahr, sind die Konturen der beiden Globushälften bereits kopiert, ja?«
Robusti nickte.
»Ich werde nun die beiden Papiere auf die Haut kleben und mit einem Stift den Konturen nachfahren; sie werden dann wie mit Blaupapier abgebildet sein. Ich werde übrigens mit beiden Händen gleichzeitig arbeiten.«
»Mit beiden Händen gleichzeitig?«
»Haben Sie, Signore Robusti, je den Ausdruck Ambidextrie gehört? Nein? Ambidextrie besagt, daß es, wenn auch selten, Künstler gibt, die mit beiden Händen gleichzeitig und mit der gleichen Geschicklichkeit arbeiten.«
»Bemerkenswert, schlicht und einfach
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