Geopfert - [Gus Dury ; 1]

ihm nach.
    Ich holte aus, packte ihn am Kragen wie der typische britische Bobby aus dem Fernsehklassiker Dixon of Dock Green : Es gibt kein Entrinnen vor dem langen Arm des –
    »Scheiße!«
    Ich stolperte. Riss den Würfel mit mir zu Boden. Wir rollten über den nassen Bürgersteig wie zwei sturzbesoffene Breakdancer. Ich bekam ihn in einen mittelmäßigen Haltegriff, brüllte ihn an: »Gib auf!«
    Keine Antwort. Nur sein Atem ging schwer, stockte panisch. Er roch nach Mentholzigaretten.
    Der Würfel trug eine Lederjacke, die in der Nässe zu glitschig wurde für einen sicheren Griff. »Hör endlich auf, dich zu wehren«, brüllte ich ihn an.
    Er beachtete mich gar nicht. Dann bekam ich ein hartes Knie in die Eier.
    Ich stieß ein Wimmern aus. Der Würfel packte die Gelegenheit beim Schopf.
    »Hey! Komm sofort zurück, du Scheißkerl!«
    Zu spät. Im Wegrennen sah ich noch ein paarmal kurz seinen Rücken im Dunkeln, und dann – nichts mehr.
    »Scheiß drauf!«, fluchte ich, rappelte mich auf und humpelte zurück zum Hotel.
    Ich warf mich aufs Bett. Das Zimmer drehte sich völlig unkontrolliert. Ich hielt das nicht aus. Einmal durch die Schleuder war genug. Ich wuchtete mich hoch und widmete mich wieder dem Johnnie Walker.
    Ich hatte erwartet, dass es Troubles geben würde, wenn ich für Col herumschnüffelte, aber jetzt wusste ich es definitiv. Jemand interessierte sich ernstlich für mich. Ich hatte so meine Vermutungen, wer das sein könnte, aber keinen Anhaltspunkt, warum. Ich meine, was hatte ich denn anzubieten? Nichts. Ich hatte absolut null herausgefunden. Mein Gott, die meiste Zeit war ich ja schon froh, einigermaßen heil durch den Tag zu kommen.
    Ich saß im Schneidersitz auf dem Boden, Whisky in der einen, Fluppe in der anderen Hand. Nichts von alledem ergab einen Sinn, also versuchte ich, nicht zu denken. Lange Zeit hatte ich buchstäblich frei von allem Denken sein wollen. Genau dafür benutzte ich den Stoff – den Lärm aussperren, dem Daseinsschmerz vorbeugen. Ich trank mehr und mehr Whisky, bis ich spürte, wie ich zuerst zusammensackte und dann umkippte.
    Dean Martin hatte mal gesagt: »Man ist erst dann richtig betrunken, wenn man nicht mehr auf dem Boden liegen kann, ohne sich mit beiden Händen festzuhalten.«
    Ich war so betrunken, ich konnte mich nicht mal mehr festhalten.
    Ich verlor das Bewusstsein und fiel in brutale Träume.

    Ich wurde von meinem laut klingelnden Handy geweckt, direkt neben meinem Ohr, und brachte ein gekrächztes Hallo zuwege.
    Eine quengelige Frauenstimme. »Du Mistkerl.«
    »Amy?«
    »Ich dachte, wir hätten ein Date.«
    Zuerst herrschte nichts als Verwirrung, dann setzte das Langzeitgedächtnis ein. Ich versuchte es mit: »Ein Date … tjaaa, ich bin nicht sicher, ob ich’s unbedingt so nennen würde.«
    Ihre Stimme wurde schriller, sie war sauer auf mich. »Du bist ein vollkommen vollkommener Scheißkerl!«
    »Hör zu, Amy, es tut mir echt leid – ich bin von anderen Dingen aufgehalten worden.«
    Stille, dann ein missbilligendes Schnalzen, dicht gefolgt von einer Pause. Das würde mich was kosten, ich wusste es genau.
    »Du kannst es aber wiedergutmachen, Gus«, sagte sie.
    »Wie denn?«
    »Die Studentenvertretung veranstaltet am Wochenende eine Party.«
    Ich dachte, ›Studenten, ich weiß nicht‹, und sagte: »Studenten?«
    Der skeptische Unterton schlich sich einfach ein. Was Amy offensichtlich mitbekam. »Gus, ich bin Studentin.«
    Ihr Ton war vorwurfsvoll. Das schlechte Gewissen kam angeflattert und ließ sich mal wieder auf mir nieder.
    »Okay, wann?«
    »Ich ruf dich an – sei einfach bereit!«
    »Abgemacht«, sagte ich, und sie beendete das Gespräch.
    Ich legte das Telefon weg und fragte mich, ob mein Leben je wieder mir ganz allein gehören würde.
    Die Luft im Zimmer war abgestanden. Ich öffnete das Fenster, steckte den Kopf hinaus und bekam eine Abgasschwade von der Straße unter mir ab. Gott, meine Lungen brauchten frische Luft. Diese Stadt würde noch mein Tod sein, das hatte Debs schon immer gesagt.
    Ich füllte das Waschbecken mit kaltem Wasser und wusch mir das Gesicht. Im Spiegel sah ich, dass Macs Frisur immer noch ganz gut saß, ich musste nur einmal kurz mit dem Kamm durchgehen.
    Entschied mich für ein beiges Hemd und eine Khakihose von Gap. Musterte mich im Spiegel, sagte: »Meine Güte!« und fühlte mich an den verstorbenen Steve Irwin erinnert. Zog das Hemd wieder aus und schlüpfte in ein weißes Polo.
    Ich fühlte mich hässlich,