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Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ziemlich hässlich.
    Steckte mir eine Rothmans an und bekam sofort einen gewaltigen Hustenanfall, der meine Welt erschütterte. Würde ich einen Kaffee riskieren? Und ob.
    Die Portionstütchen Nescafé in dem kleinen Korb schienen ausgegangen zu sein. Ich musste mir neue bei Stalin besorgen. Bei dem Gedanken an ihn kam mir wieder die vergangene Nacht in brillantem Technicolor in den Sinn.
    Ich hatte mit ihm noch einige Hühnchen zu rupfen. Da war die Sache mit dem Nescafé. Dann Milos Auge. Und natürlich das Zimmer voller lettischer Mädchen.
    Ich machte eine zweite, dünne Tasse Kaffee mit den letzten auf dem Tablett verstreuten Körnchen. Fand in mehreren aufgerissenen Beutelchen auch noch etwas Pulver und kippte auch diese Reste in die Tasse.
    Ich wollte einen halbwegs klaren Kopf haben, wenn ich das gerissene Schlitzohr aufsuchte, wie Milo ihn nannte. Ich wusste, die richtige Antwort bekam ich, wenn ich Stalin ganz übersprang und direkt zu Benny the Bullfrog ging, aber ich musste noch mehr über ihn und seinen Laden wissen, bevor ich auch nur einen Schritt in seine Richtung riskierte.
    Klar, ich musste nicht nur eine Frage stellen, aber ohne das geringste Druckmittel könnte ich sie genauso gut gleich für mich behalten. Ich hatte so ein Gefühl, ein unvorbereiteter Besuch in Zalinskas’ Bau könnte bedeuten, mit den Füßen voran wieder herauszukommen.
    Ich drückte die Kippe auf der Sohle meines Stiefels aus – der Aschenbecher schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Ich hoffte, das Zimmermädchen würde das mitkriegen und mir einen anderen hinstellen.
    Das Zuschnüren meiner Docs war eine ausgesprochen schmerzhafte Erfahrung. Mir drehte sich der Magen um; dachte schon, ich müsste mich übergeben. Es kam in Wellen. Ich nahm mir vor, Halbschuhe zu kaufen, irgendwas ohne Schnürsenkel.
    Auf dem Flur lauschte ich an Milos Tür – nichts. Auch von Stalin keine Spur. Ich war für meine Verhältnisse früh aufgestanden, aber der Rest der Welt schien den Tag längst begonnen zu haben.
    Ich ging die Treppe zum zweiten Stock hinauf, war mir nicht sicher, was genau ich am Abend zuvor gesehen hatte. Ich traute mir glatt zu, dass ich es komplett falsch interpretiert hatte. Der Alk bringt einen so durcheinander.
    Auf der obersten Stufe stolperte ich und sagte laut: »Scheiße auch, Gus – reiß dich zusammen!«
    Schon die einfachste Koordination fiel mir schwer. Aber auch mein Verstand spielte mir Streiche, ließ die Gesichter der verängstigten, sich aneinanderdrängenden Mädchen in meinem Kopf aufblitzen. Ich stellte mir vor, welch grauenvolles Schicksal sie erwarten mochte. Es waren doch noch Kinder. Was zum Teufel hatten sie dort zu suchen? Wo waren ihre Eltern? Meine Gedanken überschlugen sich. Die Stadt war kein guter Ort für sie. Bei all den Pennern und Kriminellen auf den Straßen, welche Chance würden sie da haben? Keine, ich wusste es. Sie waren leichte Beute. So einfach war das.
    Ich blieb vor der Tür stehen, die ich am Abend zuvor mit der Schulter gerammt hatte. Sie stand einen Spaltbreit offen. Ein schmales Rechteck Sonnenlicht ergoss sich auf dem Boden in meine Richtung. Ich holte tief Luft und griff nach dem Türknauf.
    Als ich vorsichtig eintrat, erinnerte ich mich wieder an den Ausdruck schierer Angst, der auf ihren Gesichtern erschienen war. Gott allein wusste, wen sie in mir sahen oder was sie dachten, warum ich plötzlich aufgetaucht war.
    Drinnen hatte ich das Gefühl, den falschen Raum betreten zu haben. Das Zimmer war leer. Das Bettzeug war sehr sorgfältig glattgestrichen worden. Lampen, Handtücher, Wasserkocher – alles picobello, wie meine Mutter sagen würde. Nur das angelehnte Fenster ließ die Gardinen gespenstisch tanzen.
    Schweigend stand ich mitten im Zimmer. Ich hörte meinen Herzschlag, das heftige Rauschen des Blutes in meinen Adern. Ich führte es auf den mühsamen Weg die Treppe herauf zurück, merkte, dass ich außer Atem war.
    Mir pochte der Schädel, aber es war nicht der übliche Kater. Ich empfand Wut. Diese Mädchen, dieses Zimmer, dieser ganze Laden hier …
    »Was geht hier vor?«
    Ich holte mit meinem Stiefel aus und erwischte die Tür. Sie knallte lärmend zu. Eine Staubwolke hob sich vom Rahmen.
    Ich begann Schubladen, Schranktüren, Badezimmerschränkchen zu öffnen. Ich sah überall nach, fand jedoch nichts. Nicht den geringsten Hinweis darauf, dass überhaupt jemals irgendwer hier gewesen war. Es sah so harmlos und unverfänglich aus wie jedes andere billige

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