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Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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darüber groß den Kopf zu zerbrechen. Und, ohne Scheiß, mir fehlte auch die Energie.
    Nach der Doku nuschelte Milo: »Wissen Sie was? Ich glaube, ich werde das Buch mal lesen.«
    »Ist nicht der Mühe wert.«
    »Dann haben Sie’s gelesen, dieses Unterwegs ?«
    »Ich könnte Ihnen mehr davon erzählen, als die verraten. Erst einmal hat er es nicht in drei Wochen geschrieben, wie die behaupten. O nein, er hat ungefähr zehn Jahre daran gearbeitet, bevor es schließlich gedruckt wurde. Aber davon reden sie nicht gern.«
    »So wie Sie das erzählen, verliert es etwas von dem Geheimnisvollen.«
    »Da gibt’s nichts Geheimnisvolles, ist nichts anderes als guter alter Werberummel – schließlich müssen die Kassen ja klingeln.«
    »Mein Gott, Sie sind ein Zyniker, Gus Dury. Ein richtiger Zyniker sind Sie.
    »Werd’ ich nicht bestreiten.«
    Ich öffnete den Verschluss des Johnnie Walker. »Kann ich Sie in Versuchung führen?«
    »Das würde mein Magen nie verkraften. Ist schon ein schreckliches Leiden, das mich die letzten Jahre plagt.«
    ›Umso mehr bleibt mir‹, dachte ich. »Sicher, dass ich Sie nicht mal mit einem kleinen Gläschen locken kann? Könnte es ja mit ein bisschen Wasser verdünnen.«
    »Nein, danke. Ich bin überzeugt, Sie kommen auch wunderbar ohne mich klar. Gus, darf ich Sie mal was fragen? … Woher wissen Sie diese ganzen Sachen, sind Sie ein Studierter?«
    »Große Güte, nein. Ich hab nur das eine oder andere Buch gelesen. Ich lese zur Buße für meine Sünden. Schon als kleiner Junge war ich ein Einzelgänger, der seine Nase am liebsten in ein Buch versenkt hat, und das hat meinem Vater eine Scheißangst eingejagt.«
    »Ah, das ist die beste Zeit, um anzufangen. Vor mir war auch nie ein Buch sicher, bis die alten Augen nicht mehr so richtig wollten. Ist bestimmt nicht die schlechteste Bildung, die sich im Schein einer Lampe eingebrannt hat!«
    Ich nickte. »Hab schon immer viel gelesen.«
    Milo senkte die Stimme. »Und … haben Sie auch schon immer so viel getrunken?«
    Die Frage störte mich nicht. Nach ein paar Gläschen würde ich das Blaue vom Himmel runterreden. Und es war schnurzegal, worüber ich sprach.
    »Ich würde jetzt nicht unbedingt sagen, schon immer, obwohl es vielleicht die ganze Zeit im Hintergrund gelauert hat, um dann endlich durchzubrechen.«
    »Meistens gibt’s einen Grund.«
    »Davon hab ich eine Million.«
    Milo lachte. »Jee-sus, Gus, Sie sind ein ungewöhnlicher Vogel. Ist schon eine tolle Kombination, der Literat und der Trinker.«
    »Einfach nur ein völlig durchschnittlicher Kneipen-Sokrates.«
    »Oh, da stehen Sie doch drüber.« Er stand langsam auf und stieß ein leises Lachen aus. »Wir müssen an einem anderen Abend weiterplaudern.«
    »Wenn Sie mögen«, sagte ich.
    Milo versuchte den Rücken durchzustrecken, blieb jedoch gebeugt. »Tja, ich schulde Ihnen was dafür, dass ich hier fernsehen durfte. Ist auch toll, abends ein bisschen Gesellschaft zu haben.«
    Ich brachte ihn zur Tür und begleitete ihn bis in sein Zimmer. Ich schwöre, er war praktisch schon eingeschlafen, und es tat mir in der Seele weh, seine Erschöpfung zu sehen.
    Ich selbst war alles andere als müde; mein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Mir ging eine Menge Zeugs durch den Kopf. Das Gerede über die Kindheit war quasi die Hauptattraktion. Mir ist nur ein Haufen deprimierender Erinnerungen an diese Zeit geblieben, die mich in freudloseren Momenten heimsuchen. So ist es immer. Je trister etwas ist, desto besser erinnere ich mich.
    Ich hörte die Stimme meines Vaters laut werden, das Klirren zerschlagenen Geschirrs, das Weinen meiner Mutter.
    Ich widmete mich weiter dem Alkohol.
    Fing an, über Milos Veilchen nachzudenken. Ich hatte den Verdacht, dass Stalin oder seine Leute dafür verantwortlich waren, und beschloss, ihn mir vorzuknöpfen. Klopfte an zig Türen. Fühlte mich nicht in der Verfassung, viel zu tun, war aber bereit, den Bastard fertigzumachen, wenn ich nur die kleinste Chance bekam.
    Im zweiten Stock hörte ich eine ausländische Stimme, es klang wie Russisch oder so ähnlich.
    Ich hämmerte an die Tür. »Aufmachen.«
    Keine Reaktion. Ließ die Schulter gegen die Tür krachen. Nichts rührte sich, dafür schoss mir ein stechender Schmerz den Arm hinauf und den Rücken hinunter, als hätte mich der Blitz getroffen.
    »Komm schon, ich weiß, dass du da drin bist, mach sofort die Scheißtür auf, andernfalls trete ich sie ein.«
    Ich trat zu. Wegen des Lärms tauchten

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