Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
ebenfalls umbringen.«
    »Was wüssten?«
    Sie wandte sich ab, ging ein paar Schritte. Ich packte ihren Arm, hielt sie fest. »Wenn die was wüssten?«
    »Billy … er hat davon geredet, auf die Schnelle einen Haufen Geld zu machen, er war an einer großen Sache dran.«
    »An was?«
    »Ich weiß nicht, an was, er hatte gewisse Informationen, und ich glaube, Zalinskas dachte, er sollte die nicht haben.«
    Ich quetschte ihr Handgelenk. »Was meinen Sie mit Informationen?«
    »Mehr weiß ich nicht. Ich schwör’s. Ich habe Ihnen alles erzählt. Oh, Mr. Dury, ich schwöre Ihnen, mehr weiß ich nicht.«
    Ich ließ ihren Arm los. Sie schluchzte, legte die Hand auf die Stelle, wo ich sie gepackt hatte.
    Sie hatte klein beigegeben. Sie konnte mir immer noch nützlich sein, aber im Moment war da nichts mehr zu holen.
    »Warten Sie! Wohin gehen Sie?«, brüllte sie.
    Ich sagte nichts, ging zur Tür.
    »Warten Sie! Warten Sie!« Sie kam mir nachgelaufen, packte meine Schulter in dem Augenblick, als ich nach der Türklinke griff. »Ich habe Angst!«
    Ich schüttelte ihre Hand ab. »Dann engagieren Sie einen Bodyguard.«

A uf der George Street bemerkte ich, dass meine Knöchel abgeschürft waren. Sagte mir: Du rennst herum wie ein Psycho, Gus. War nicht sonderlich stolz auf mich. Lief herum und spielte populärpsychologische Lösungen für die »großen Themen meines Lebens« durch. Mein Gott, das klang wie Schwachsinn. Erinnerte mich, wie Doddy mal gesagt hatte: »Das Problem mit Freud ist, dass er nie an einem Samstagabend im Glasgow Empire aufgetreten ist, nachdem Rangers und Celtic beide verloren hatten.«
    Das ergab jetzt mal Sinn.
    Ich ging die Royal Mile hinunter, blieb vor der Zigarettenschachtel aus Beton und Glas stehen, die seitlich an John Knox’ Haus geklatscht worden war, um mir den Kopf zu kratzen. Das älteste Haus in Edinburgh, ruiniert vom aufgeblasenen Ego eines beschissenen Architekten. Wie kommt man nur mit so einem Mist ungeschoren durch, sinnierte ich.
    Angewidert starrte ich himmelwärts, als ich eine Stimme hörte, die wie ein Teppichmesser in mich schnitt.
    »Hallo, Angus.«
    Ich senkte meinen Blick. »Mum.«
    Sie riss die Augen auf und starrte mich an, als hätte sie gerade jemanden von den Toten wiederauferstehen sehen.
    »Mein Gott, mein Junge, du bist so mager. Geht es dir gut?«
    »Ja … ja, mir geht’s gut, Mum.«
    »Du hast ja kaum was auf den Rippen. Isst du auch ordentlich?«
    »Ja, Mum, mir geht’s gut.«
    Sie hob ihre Tüten auf und zappelte vor mir herum. Ihre Augen sahen unendlich blau aus, als sie mich nun musterte.
    »Ist schon eine Weile her, mein Junge.«
    »Ja, stimmt.«
    »Ich habe diesen Dings gesehen – den Burschen aus dem Pub.«
    »Col. Er hat mir erzählt, dass ihr euch unterhalten habt.« Was mir ein weiteres Blitzen dieser Augen einbrachte. »Ich wollte … nun, du weißt schon … wie das eben so geht.«
    »Dann hat er dir erzählt, dass dein Vater nicht besonders gut dran ist.«
    »Hat er.«
    Sie schüttelte den Kopf. Ihr Haar war stahlgrau, die Wangen eingefallen und hohl. »Ja, ein guter Mann ist er wirklich nicht.«
    Ich schaute weg. Es schien mir die einzige Möglichkeit zu sein, mein völliges Desinteresse zu verbergen. »Ach ja, ist das so?«
    »Er kann das Haus nicht mehr verlassen. Ich denke, er könnte, ach, wie nennt man das noch? Homophob sein?«
    Ich konnte nicht lachen. »Oh, das ist er ganz sicher«, sagte ich, »und noch einige andere Dinge dazu.«
    Sie schob die Handtasche auf ihren Ellbogen und streckte mir die Hand entgegen. »Es ist schön, dich zu sehen, mein Junge.«
    Ich lächelte. Das hier war meine Mutter, ich hatte keinen Streit mit ihr. Mein Anblick schien ihr Schmerzen zu bereiten. Ihr eigener Sohn, vor dem sie für ein paar Augenblicke auf offener Straße zu stehen gezwungen war.
    »Es ist schon so lange her, weißt du«, sagte sie.
    »Ich weiß. Ich weiß.«
    »Es wäre toll, sich hinzusetzen und mal richtig miteinander zu plaudern, aber natürlich wirst du, ob’s mir gefällt oder nicht, viel zu viel zu tun haben …«
    »Hättest du gern, dass ich vorbeikomme und ihn besuche, Mum?« Ich konnte kaum glauben, dass ich das gesagt hatte.
    Ich hatte ihr die Einkaufstüten abgenommen und setzte schon an, ein Taxi zu rufen, bevor ich wusste, wo ich war. Etwas stach mich, trieb mich an. Ich hatte sie so lange im Stich gelassen, dass ich etwas tun musste. Wenn ich jetzt einfach ging, bei Gott, diese Augen hätten mich für den Rest meines Lebens

Weitere Kostenlose Bücher