Geopfert - [Gus Dury ; 1]
Marlboro an. Es wurde kälter, dann verschwanden auch noch die letzten Sonnenstrahlen. Der Himmel sah immer noch blau aus, aber graue Wolken begannen sich aufzutürmen.
Eine Stimme aus dem Nichts sagte: »Hallo, Gus.«
Sie trug eine schwarze Hose, Stiefel und eines dieser ärmellosen Oberteile, die auch als Kleid getragen werden konnten. Doch als erstes fielen mir ihre Haare auf. Kürzer als gewöhnlich und eine völlig neue Farbe. »Du hast dich verändert – bist blond geworden«, sagte ich.
Deborah nahm die Sonnenbrille ab, schnippte ihren Pony zurück, strich dann alles nach hinten und fixierte es mit der Brille. »Hatte Lust auf was anderes.«
»Es gefällt mir. – Es passt zu dir.«
»Und du? Was ist mit diesen Zähnen?«
Ich senkte den Kopf, fühlte mich angespannt. »Das sind Provisorien.«
Schweigen, während wir beide nach weiteren Belanglosigkeiten suchten.
Dann legten wir beide gleichzeitig los. »Es tut mir leid …«
»Nein, du …«, sagte ich.
»Ich habe deine Nachricht auf meiner Mailbox bekommen, ich wollte zurückrufen, aber – wo dann dein Vater so krank war, da dachte ich …«
»Schon okay. Cathy hat erzählt, dass du da warst. Das war sehr nett von dir. Du bist in dieser Hinsicht schon immer sehr aufmerksam gewesen.«
»Ich dachte, du hättest ohnehin genug um die Ohren. Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, hast du sehr gestresst geklungen.«
»Hör zu, Debs, das alles tut mir leid. Wirklich, ist wahr. Mir ist in letzter Zeit so manches über den Kopf gewachsen.«
Sie wandte den Blick ab, rieb ihre nackten Arme. Ich wollte nicht wieder auf alte Minenfelder abirren. Sie hatte ihre Gefühle mir gegenüber bereits klar dargelegt. Ich trat einen Schritt zurück. »Was rede ich hier eigentlich? Du willst meine Leidensgeschichten bestimmt nicht hören –«
Sie unterbrach mich. »Um ehrlich zu sein, Gus … Hör zu, es ist verdammt kalt hier draußen, können wir reingehen?«
Ich sah zur Kirche hinüber; die meisten Trauergäste hatten die Halle bereits betreten, zwei Männer in Trenchcoats waren die letzten, die mit gesenktem Kopf hineingingen. »Um dir die Wahrheit zu sagen, ich kann’s nicht ertragen. Aber wenn du gern einen Kaffee hättest …?«
»Kaffee, nichts Stärkeres?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Okay, Kaffee ist gut.«
Als wir die Straße überquerten, begann es zu regnen. Kein starker Regen, aber unmöglich, ihm zu entkommen. Wir setzten uns unter einen Heizpilz, bestellten zwei große Kaffees, Debs ein Stück Karottenkuchen. Sie wirkte sehr ernst. Ich sah uns beide nicht gerade die berühmte Spaghetti-Szene aus Susi und Strolchi nachspielen.
Im Hintergrund lief ein Fernseher, die Mittagsnachrichten näherten sich ihrem Ende. Die Arschlöcher im Parlament hatten den Tag damit zugebracht, ernsthaft darüber zu debattieren, ob auf den Holyrood Crags ein Schriftzug wie jener berühmte in Hollywood aufgestellt werden sollte oder nicht. Lebten diese Leute eigentlich auf diesem Planeten?
Wieder bewahrten sich die Nachrichten eine interessante Meldung bis zum Schluss auf.
»Ich glaub’s nicht«, sagte ich.
Debs hatte den Mund voll Kuchen und artikulierte stirnrunzelnd ein »Was?«.
»Könnten Sie bitte die Lautstärke etwas hochdrehen?«, rief ich der Kellnerin zu. »Ich kenne den.«
»Wer ist das?«, fragte Debs.
»Benny Zalinskas.«
»Er sieht aus wie ein Gangster.«
Ich nickte. »Genau das ist er auch.«
»Woher, bitte schön, kennst du einen Gangster, Gus?«
»Nicht persönlich – zumindest nicht so. Es ist der Fall, an dem ich arbeite.«
»Fall … So wie du es sagst, klingt es nach Arbeit! Es ist aber kein Job, Gus.«
Ich bat sie zu schweigen, sagte: »Einen Moment, bitte. Lass mich das hören.«
Der Fernseher war jetzt lauter, Zalinskas’ Prozess ging auf sein Ende zu. Man nahm an, dass die Geschworenen, die sich zu Beratungen zurückgezogen hatten, innerhalb von achtundvierzig Stunden zu einem Urteilsspruch kommen würden.
Zurück ins Studio. »Und jetzt das Wetter.«
»Leck mich«, sagte ich.
Debs legte die Gabel aus der Hand. »Was ist los?«
Ich setzte sie über den Fall ins Bild, wobei ich nur sehr wenig ausließ.
»Das ist ja furchtbar«, sagte sie und schob ihren Teller beiseite.
Ich sah auf die Straße hinaus. »Ich weiß … Wenn man sich vorstellt, dass dies alles unmittelbar vor unserer Nase passiert und wir dennoch absolut nichts dagegen tun können.«
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Nein?«
»Warum mischst du dich
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