Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
können, Tyrconnel zum Beispiel; aber er ist zu bekannt, man brauchte einen Unbekannten. Man hatte nur den da zur Hand. Ich erkläre dir das, damit du begreifst, siehst du. O, mein Gott! es gibt so Zufälle. Man ist gefangen. Man kann nichts dazu.
Jane : Ja, ich verstehe Euch wohl, Madame. Das ist wie bei mir, ich hätte Euch noch Manches zu sagen; aber ich wollte, der Befehl zum Aufschub wäre unterschrieben, und der Mann fortgeschickt. Seht, die Sache ist dann abgetan. Wir sprechen besser darnach. O, diese Glocke! immer diese Glocke!
Königin : Unmöglich, Lady Jane.
Jane : Doch, es ist möglich. Ein Mann zu Pferde. Es gibt einen sehr kurzen Weg an dem Staden hin. Ich will gehen, ich. Es ist möglich. Es ist leicht. Ihr seht, ich spreche ganz ruhig.
Königin : Aber das Volk würde es nicht leiden, es würde zurückkommen, Alles im Turme ermorden, und Fabiani ist noch da. Begreife denn doch. Du zitterst, armes Kind; ich bin wie du, ich zittere auch. Stelle dich einmal an meinen Platz. Endlich, ich hätte wohl nicht nötig, mir die Mühe zu nehmen, dir das zu erklären. Du siehst, ich tue, was ich kann. Denke nicht mehr an diesen Gilbert, Jane, das ist aus. Fasse dich!
Jane : Aus! Nein, es ist nicht aus! So lange diese schreckliche Glocke läutet, ist es nicht aus! Mich fassen bei dem Tod von Gilbert! Glaubt Ihr, ich würde Gilbert so sterben lassen? Nein, Madame! Ha, ich verliere meine Mühe! Ha, Ihr hört mich nicht! Nun denn, das Volk wird mich hören, wenn die Königin mich nicht hört! Ha, sie sind gut die Leute vom Volk! Das Volk ist noch in diesem Hofe. Ihr mögt dann mit mir machen, was Ihr wollt. Ich werde ihnen zuschreien, daß man sie betrügt und daß es Gilbert ist, ein Arbeiter, wie sie, und daß es nicht Fabiani ist.
Königin : Halt, elendes Kind! Sie ergreift sie am Arme und betrachtet sie mit einem furchtbaren Blick. Ha! du nimmst es so? Ha! ich bin gut und sanft und ich weine mit dir, und jetzt wirst du toll und rasend. Ha! meine Liebe ist so groß wie deine, und meine Hand ist stärker, als deine. Du rührst dich nicht! Ah, dein Geliebter! Was geht mich dein Geliebter an? Sollen denn alle Mädchen England’s kommen und Rechenschaft von mir wegen ihrer Geliebten fordern? Bei Gott! ich rette den meinigen, so gut ich kann, und auf Unkosten dessen, der mir in den Weg kommt. Wacht ihr über die eurigen!
Jane : Laßt mich! – O, ich fluche Euch, abscheuliches Weib!
Königin : Still!
Jane : Nein, ich will nicht schweigen. Und soll ich Euch auch einen Gedanken sagen, der mir eben kommt? Ich glaube nicht, daß der, welcher sterben wird, Gilbert ist.
Königin : Was sagst du?
Jane : Ich weiß nicht. Aber ich sah ihn unter dem schwarzen Schleier vorbeigehen. Es ist mir, als müßte sich etwas in mir geregt, sich etwas empört, sich etwas in meinem Herzen erhoben und mir zugerufen haben: »Gilbert! es ist Gilbert!« wenn es Gilbert gewesen wäre. Ich habe nichts gefühlt, es ist nicht Gilbert!
Königin : Was sagst du da? Ah, mein Gott! du bist wahnwitzig; was du sagst, ist toll und doch erschreckt es mich. Ah! du regst eine der geheimsten Qualen meines Herzens auf. Warum hat mich dieser Aufstand verhindert, selbst über Alles zu wachen! Warum habe ich Anderen, als mir selbst, Fabiano’s Rettung anvertraut? Äneas Dulverton ist ein Verräter. Simon Renard war vielleicht da. Wenn ich nicht zum zweiten Mal von den Feinden Fabiano’s verraten worden bin! Wenn es in der Tat Fabiano wäre!… Jemand! he, Jemand! Jemand!
Zwei Schließer treten auf. Zum ersten: Ihr lauft! Hier ist mein königlicher Ring. Sagt, daß man die Hinrichtung aufschiebe. Auf den alten Markt den alten Markt! Es gibt einen kürzeren Weg, sagtest du, Jane?
Jane : An dem Staden hin.
Königin zum Schließer: An dem Staden hin. Ein Pferd! schnell!
Der Schließer ab.
Zum zweiten Schließer: Ihr lauft sogleich zu dem Turme von Eduard. Es sind dort zwei Kerker für die zum Tode Verdammten. In einem dieser Kerker ist ein Mann. Bringt ihn sogleich her.
Der Schließer ab.
Ach, ich zittere! meine Kniee brechen; ich hätte nicht Kraft genug, selbst zu gehen. Ach, du machst mich toll, wie du! Ach, elende Dirne, du machst mich unglücklich, wie du! Ich fluche dir, wie du mir fluchst. Mein Gott! wird der Mann noch bei Zeit ankommen? Welche entsetzliche Angst! Ich sehe nichts mehr. Alles ist wirr in meinem Geist. Diese Glocke, für wen tönt sie? Ist es für Gilbert? ist es für Fabiani?
Jane : Die Glocke schweigt.
Königin : Dann ist
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