Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
Nebengefälle zu rechnen.
Alphons : Und wenn ich Euch viertausend anböte, würdet Ihr Dienste bei mir nehmen?
Gennaro : Unmöglich. Ich bin noch für fünf Jahre der Republik verpflichtet. Ich bin gebunden.
Alphons : Wie? gebunden!
Gennaro : Durch einen Eid.
Alphons (leise zu Lucretia): Diese Leute scheinen ihre zu halten. Laut: Sprechen wir nicht mehr davon, Gennaro.
Gennaro : Ich habe keine Niederträchtigkeit begangen, um mein Leben zu retten; aber weil Eure Hoheit mir es schenkt, so kann ich ihr jetzt Folgendes sagen. Eure Hoheit erinnert sich wohl an den Sturm auf Faenza, es sind jetzt zwei Jahre her. Der Herzog Herkules von Eiste, Euer Vater, geriet dabei in große Gefahr durch zwei Armbrustschützen des Valentinois, die im Begriff waren, ihn zu töten. Ein Soldat rettete ihm das Leben.
Alphons : Ja, und man konnte diesen Soldaten nie wieder finden.
Gennaro : Das war ich.
Alphons : Bei Gott, mein Hauptmann, das verdient eine Belohnung. – Würdet Ihr wohl diese Börse mit Goldzechinen annehmen?
Gennaro : Als wir in den Dienst der Republik Venedig traten, schwuren wir, kein Geld von fremden Souveränen anzunehmen. Indes, wenn Eure Hoheit es erlaubt, nehme ich das Geld und verteile es in meinem Namen unter die braven Soldaten da. Er deutet auf die Wache.
Alphons : Tut es. Gennaro nimmt die Börse. Aber dann werdet Ihr wenigstens nach dem alten Gebrauch unserer Vorältern als guter Freund ein Glas von meinem Syrakusaner mit mir trinken.
Gennaro : Recht gern, Herr!
Alphons : Und ich will, daß die Herzogin selbst es Euch einschenke, um Euch als den Retter meines Vaters zu ehren. Gennaro neigt sich und geht in den Hintergrund der Bühne, um das Gold den Soldaten auszuteilen. Der Herzog ruft: Rustighello! Rustighello tritt mit der Platte herein. Stelle die Platte auf diesen Tisch. – Gut. Er nimmt Donna Lucretia bei der Hand. Donna, hört, was ich diesem Manne sagen werde. – Rustighello, gehe zurück und stelle dich hinter diese Türe, den bloßen Degen in der Hand. Du kommst herein, wenn du diese Schelle hörst. Geh’!
Rustighello geht und man sieht ihn sich wieder hinter die Türe stellen.
Alphons : Donna, Ihr werdet diesem Jungen Manne einschenken und Acht geben, dass Ihr die goldene Flasche da nehmt.
Lucretia (bleich mit schwacher Stimme): Ja.
Alphons : Donna, Ihr werdet diesem jungen Manne schenken und Acht geben, daß Ihr die goldene Flasche nehmt.
Lucretia (bleich mit schwacher Stimme): Ja. – Wenn Ihr wüßtet, was Ihr in diesem Augenblicke tut, und wie entsetzlich es ist, Ihr würdet schaudern, so entmenscht Ihr auch seid, Herr!
Alphons : Gebt Acht, daß ihr die Flaschen nicht verwechselt. – He, Kapitän!
Gennaro, der mit seiner Verteilung zu Ende. ist, kommt auf den Vordergnmd der Bühne zurück. Der Herzog schenkt sich aus silbernen Flasche in einen von den Bechern ein und setzt ihn an die Lippen.
Gennaro : Ich bin beschämt durch so viel Güte, Herr.
Alphons : Donna, schenkt dem Herrn Gennaro ein. Wie alt seid Ihr, Hauptmann?
Gennaro (nimmt den andern Becher und hält ihn der Herzogin hin): Zwanzig Jahre.
Alphons (leise zur Herzogin, welche die silberne Flasche zu ergreifen sucht): Die goldene Flasche, Donna! Sie nimmt zitternd die goldene Flasche. Ah! Ihr seid wohl verliebt?
Gennaro : Wer ist es nicht ein wenig, mein Herr?
Alphons : Wißt Ihr auch, Donna, daß es grausam wäre, diesen Hauptmann dem Leben, der Liebe, der Sonne ha Italiens, dem schönen Alter von zwanzig Jahren, seinem glorreichen Kriegs- und Abenteurerhandwerk, womit alle königlichen Geschlechter angefangen haben, den Festen. den Maskenbällen, dem lustigen Fasching von Venedig. wo so viele Ehemänner betrogen werden, und den sehr schönen Damen, die er noch lieben kann und die ihn lieben werden, zu entreißen? Nicht wahr, Donna? Schenkt doch dem Hauptmann ein. Leise: Wenn Ihr zaudert, so lasse ich Rustighello hereinkommen. Sie schenkt Gennaro ein, ohne ein Wort zu sagen.
Gennaro : Ich danke Euch, Herr, daß Ihr mich für meine arme Mutter leben laßt.
Lucretia (bei Seite): O entsetzlich!
Alphons (trinkt): Auf Eure Gesundheit, Hauptmann Gennaro! Ich wünsche Euch viele Jahre.
Gennaro : Herr, Gott vergelte es Euch! Er trinkt.
Lucretia (bei Seite): Himmel!
Alphons (bei Seite): Es ist geschehen! Laut: Ich verlasse Euch jetzt, mein Hauptmann. Ihr könnt nach Venedig abreisen, wenn Ihr wollt, leise zu Lucretia: Dankt mir, Donna, ich lasse Euch allein mit ihm. Ihr habt ihm noch Lebewohl zu sagen.
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