Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
Siena zurückzugeben. Ihr habt es weder getan, noch hättet Ihr es tun sollen. He! die Geschichte ist voll von dergleichen. Weder Könige, noch Völker könnten bei streng gehaltenen Eiden einen Augenblick bestehen. Für uns, Alphons, ist ein beschwornes Wort nur dann eine Notwendigkeit, wenn es keine andere gibt.
Alphons : Dennoch, Donna Lucretia, ein Eid…
Lucretia : Gebt mir doch nicht so erbärmliche Gründe an. Ich bin nicht einfältig. Sagt mir lieber, mein teurer Alphons, ob Ihr irgend etwas gegen diesen Gennaro habt. Nein? Nun gut! schenkt mir sein Leben. Was macht das Euch, wenn es mir einfällt, ihm zu verzeihen? Ich bin die Beleidigte.
Alphons : Grade, weil er Euch beleidigt hat, meine Liebe, kann ich ihn nicht begnadigen.
Lucretia : Ihr werdet mir es nicht länger verweigern, wenn Ihr mich liebt. Wenn es mir nun beliebt, den Weg der Milde zu versuchen? Ich will von Eurem Volke geliebt sein. Die Gnade, Alphons, macht einen König Jesus Christus ähnlich. Laßt uns gnädige Herrn sein. Das arme Italien hat ohne uns Tyrannen genug, von den baronisierten Stellvertretern des Papstes an bis zu dem päpstlichen Stellvertreter des Himmels. Machen wir ein Ende damit, teurer Alphons. Setzt diesen Gennaro in Freiheit. Es ist eine Laune, wenn Ihr wollt; aber es ist etwas Heiliges und Göttliches in der Laune eines Weibes, wenn sie einem Menschen den Kopf rettet.
Alphons : Ich kann nicht, teure Lucretia.
Lucretia : Ihr könnt nicht? Aber warum endlich könnt Ihr mir etwas so Unbedeutendes, wie das Leben eines Soldaten, nicht schenken?
Alphons : Ihr fragt, warum, meine Liebe?
Lucretia : Ja, warum?
Alphons : Weil dieser Soldat Euer Geliebter ist, Donna.
Lucretia : Himmel!
Alphons : Weil Ihr in Venedig wart, ihn zu suchen! Weil Ihr in die Hölle gehen würdet, ihn zu suchen! Weil ich Euch verfolgt habe, während Ihr ihn verfolgtet! Weil ich Euch sah, als Ihr ihm unter Eurer Maske nachlieft, keuchend, wie die Wölfin hinter ihrer Beute! Weil Ihr ihn noch im Augenblick mit einem Blick voll Tränen und Feuer verschlangt! Weil Ihr Euch ihm ohne Zweifel überlassen habt. Donna! Weil es jetzt genug ist mit Schande und Ehebruch Weil es Zeit ist, daß ich meine Ehre räche und um mein Bett einen Strom von Blut fließen mache! Versteht Ihr, Donna?
Lucretia : Don Alphons…
Alphons : Schweigt. – Wacht über Eure Liebhaber in Zukunft, Lucretia! Stellt, wen Ihr wollt, als Pförtner an die Türe, durch die man zu Eurer Schlafkammer gelangt; aber an der Türe, durch die man herausgeht, wird jetzt ein Pförtner nach meiner Wahl stehen – der Henker!
Lucretia : Herr! ich schwöre Euch…
Alphons : Schwört nicht. – Eide, das ist gut für den Pöbel. Gebt mir doch keine so erbärmlichen Gründe an.
(Lucretia Wenn Ihr wüßtet…)
Alphons : Seht, Donna, ich hasse Euer ganzes abscheuliches Geschlecht Borgia und Euch vor allen, Euch, die ich so toll liebte! Ich muß Euch das ein wenig vollständig sagen. Es ist eine schändliche, unerhörte und seltsame Sache, in uns beiden das Haus Este, welches edler ist, als das Geschlecht der Valois und der Tudor, das Haus Este, sage ich, und das Haus Borgia vereinigt zu sehen, das Haus Borgia, das nicht einmal so, sondern Lenzuoli, oder Lenzolio, oder, ich weiß nicht wie, heißt! Ich verabscheue Euren Bruder Cäsar, der natürliche Blutflecken im Gesicht hat! Euren Bruder Cäsar, der Euren Bruder Johann erschlagen hat! Ich verabscheue Eure Mutter Rosa Vanozza, das alte spanische Freudenmädchen, das in Rom Ärgernis erregt, nachdem es das Nämliche in Valencia getan! Und was Eure sogenannten Neffen anbelangt, die Herzoge von Sermoneto-Nepi, – schöne Herzoge, wahrhaftig! Herzoge von gestern! Herzoge von gestohlenen Herzogtümern! Laßt mich zu Ende kommen. Ich verabscheue Euren Vater, der Papst ist und der ein Weiber-Serail hält, wie der Türkensultan Bajazet; Euren Vater, welcher der Antichrist ist; Euren Vater, der die Galeeren mit berühmten Männern und das heilige Kollegium mit Banditen besetzt, so daß man fragen sollte, wenn man sie in ihren roten Kleidern sieht (Galeerensklaven und Kardinäle), ob die Galeerensklaven Kardinäle und ob die Kardinäle Galeerensklaven sind! – Geht jetzt!
Lucretia : Herr! Herr! ich flehe zu Euch auf den Knien und mit gefalteten Händen, um Jesus und Maria willen Eures Vaters und Eurer Mutter willen, Herr, ich flehe Euch um das Leben dieses Mannes!
Alphons : Das heiße ich lieben! – Ihr dürft mit seiner Leiche machen, was Ihr wollt,
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