Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
und ich denke, daß Ihr es könnt ehe eine Stunde vergeht.
Lucretia : Gnade für Gennaro!
Alphons : Wenn Ihr den festen Entschluß in meiner Seele lesen könntet, so würdet Ihr so wenig davon reden, als wenn er schon tot wäre.
Lucretia (sich erhebend): Ha! hütet Euch, Don Alphons von Ferrara, mein vierter Gemahl.
Alphons : O, spielt nicht die schreckliche Donna! Bei meiner Seele, ich fürchte Fluch nicht! Ich kenne Eure Kniffe. Ich werde mich nicht vergiften lassen, wie Euer erster Gemahl, der arme spanische Edelmann, dessen Namen ich so wenig mehr weiß, als Ihr. Ich werde mich nicht fortjagen lassen, wie Euer zweiter Gemahl, der Schwachkopf Johann Sforza, Herr von Pesaro. Ich werde mich nicht mit Spießen auf irgend einer Treppe erstechen lassen, wie der dritte, Don Alphons von Arragonien, das schwache Kind, dessen Blut den Boden so wenig färbte, als reines Wasser. Ich bin ein Mann, Donna. Der Name Herkules ist unsrem Hause gewöhnlich. Beim Himmel, meine Stadt und meine Herrschaft sind voll von Soldaten, und ich bin selbst einer und habe noch nicht, wie der arme König von Neapel, meine guten Kanonen dem Papste, Eurem heiligen Vater, verkauft!
Lucretia : Ihr werdet diese Worte bereuen, mein Herr. Ihr vergeßt, wer ich bin…
Alphons : Ich weiß sehr gut, wer Ihr seid, und weiß sehr gut, wo Ihr seid. Ihr seid die Tochter des Papstes, aber Ihr seid nicht zu Rom; Ihr seid die Herrin von Spoleto, aber Ihr seid nicht zu Spoleto; Ihr seid das Weib, die Dienerin und Magd des Alphons, Herzogs von Ferrara, und Ihr seid zu Ferrara. Donna Lucretia, ganz bleich vor Schrecken und Zorn, sieht den Herzog starr an und weicht langsam vor ihm zurück bis zu einem Sessel, in den sie wie gebrochen hinsinkt. Aha! Das wundert Euch; Ihr fürchtet Euch vor mir, Donna; bisher war ich es, der Furcht vor Euch hatte. Es soll von nun an immer so sein, und um damit anzufangen, fasse ich einen von Euren Liebhabern; er stirbt.
Lucretia : mit schwacher Stimme: Überlegen wir ein wenig, Alphons. Wenn dieser Mann der nämliche ist, der mich das Verbrechen der beleidigten Majestät begangen hat, so kann er nicht zugleich mein Geliebter sein…
Alphons : Warum nicht? In einem Anfall von Zorn, Ärger, Eifersucht! Denn er ist vielleicht auch eifersüchtig, er. Übrigens, was weiß ich? Ich will, daß er sterbe. Es beliebt mir nun einmal so. Dieser Palast ist voll Soldaten, die mir ergeben sind und nur mich kennen; er kann nicht entwischen. Ihr werdet nichts hindern. Ich habe Eurer Hoheit die Wahl seines Todes überlassen; entschließt Euch.
Lucretia (die Hände ringend): O mein Gott! mein Gott! mein Gott!
Alphons : Ihr antwortet nicht? So will ich ihn im Vorzimmer mit Degenstichen töten lassen.
Er will gehen, sie faßt ihn beim Arm.
Lucretia : Halt!
Alphons : Wollt Ihr ihm lieber ein Glas Syrakusaner einschenken?
Lucretia : Gennaro!
Alphons : Er muß sterben.
Lucretia : Nicht durch Degenstiche!
Alphons : An der Art liegt wenig. Was wählt Ihr?
Lucretia : Das Andere.
Alphons : Ihr werdet Acht geben, daß Ihr Euch nicht vergreift, und ihm ein Glas aus der goldenen Flasche einschenken. Ihr kennt sie ja? Ich werde übrigens dabei sein; bildet Euch nicht ein, daß ich Euch verlassen werde.
Lucretia : Ich werde tun, was Ihr wollt.
Alphons : Bautista! Der Türsteher tritt ein. Führt den Gefangenen herein.
Lucretia : Ihr seid ein abscheulicher Mensch, Herr!
Fünfte Szene
Die Nämlichen, Gennaro, die Wache
Alphons : Was (höre ich), Herr Gennaro? Was Ihr heute Morgen getan, geschah aus Leichtsinn und Prahlerei und ohne böse Absicht, die Herzogin verzeiht Euch; Ihr sollt ein tapferer Mann sein. Bei meiner Mutter! wenn es sich so verhält, so könnt Ihr frei und unversehrt nach Venedig zurückkehren. Ich möchte um keinen Preis die hohe Republik Venedig um einen guten Diener und die Christenheit um einen treuen Arm bringen, der ein treues Schwert führt, wann sich in den Gewässern von Cypern oder Candia die Heiden oder die Sarazenen zeigen.
Gennaro : Zur guten Stunde, Herr! Ich rechnete nicht, ich gestehe es, auf einen solchen Schluß. Ich danke Eurer Hoheit. Die Milde ist eine königliche Tugend, und Gott wird da oben dem gnädig sein, der hier unten gnädig ist.
Alphons : Hauptmann, ist der Dienst der Republik gut und wie viel gewinnt Ihr dabei Jahr für Jahr?
Gennaro : Ich habe einen Haufen von fünfzig Lanzen, die ich kleide und frei halte. Die hohe Republik gibt mit zweitausend Goldzechinen jährlich, ohne die
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