George Clooney, Tante Renate und ich (German Edition)
Problem», sagte meine Tante.
Die Einzige, die damit ein Problem hatte, war ich, denn ohne Blickkontakt mit Renate konnte ich nicht richtig sehen, wann sie mir das vereinbarte Zeichen für den Anruf gab.
Kurzerhand packte ich meine Alibizeitschrift und zog ebenfalls um, was mir eine Rüge der Bedienung einbrachte. Auch Horst drehte sich bei der Gelegenheit zu mir um, fuhr sich durch das schüttere Haar und musterte mich von Kopf bis Fuß.
Dann kam der Tee, und die beiden hatten ein Gesprächsthema. Zuerst besprachen sie das Für und Wider von Kamillentee, bevor die Heilkraft der Pfefferminze ausgelotet wurde.
«Pfefferminze ist was für Weichlinge. Aber Tee hin oder her», sagte Horst. «So richtig gesund bleibt man nur, wenn man nachts bei weit geöffnetem Fenster schläft!»
Außergewöhnliche Theorien hatte er ja, der Horst.
Meine frostbeulige Tante, die auch in Sommermonaten stets mit Socken ins Bett ging, sah ihn mit entsetzten Augen an. So viel zu Antonias Behauptung, dass Wassermann und Skorpion zusammen harmonierten …
«Warum, glaubst du, bin ich mit siebzig noch so vital?», tönte Horst. «Frische Luft und gesunde Ernährung!»
Aha! Hatte Tornado-Horstchen also auch noch sechs lumpige Jahre weggeschummelt.
Meine Tante sah aber inzwischen ohnehin nicht aus, als würde sie es noch lange mit dem Mann aushalten.
«Und Abstinenz!» Horst kam nun so richtig in Fahrt. «Alkohol ist der Teufel in Flaschengestalt!» Er beugte sich zu Renate vor. «Und was machst du, um fit zu bleiben?»
Renate machte mehrmals den Mund auf und zu. «Ich mache in Ton», stammelte sie dann. «Das ist kreativ und enttäuscht einen nie!»
Horst glotzte sie an, als hätte sie ihm soeben eröffnet, dass sie sich jede Nacht bei geschlossenem Fenster betrinken würde. Mit Pfefferminzlikör.
«So …», murmelte Tornado-Horst. «So … ja … das ist, äh, interessant …» Er rührte in seinem Kamillentee, als wolle er einen Kräutertsunami heraufbeschwören.
Meine Tante nutzte die Gesprächspause und zog dreimal an ihrem linken Ohrläppchen: Das vereinbarte Zeichen!
Erleichtert machte ich mich auf den Weg zu den Toiletten. Ich hatte die ganze Angelegenheit mehr als satt und wählte die Nummer von Bettinas Handy.
Mailbox. Ich wählte die Nummer erneut, und wieder forderte Bettina mich auf, ihr eine Nachricht zu hinterlassen.
Anscheinend hatte niemand Renate erklärt, dass sich so ein Handy nicht automatisch einschaltete. Ich lehnte mich an die gekachelte Wand und überlegte fieberhaft, was ich nun tun sollte. Ich konnte ja schlecht zu meiner Tante gehen und ihr zeigen, wie sie das Handy einschaltete.
Ich wünschte Bettina zum Teufel. Sie hatte diesen ganzen Internetscheiß angeleiert, deshalb sollte sie jetzt auch die Ehre haben, meine Tante aus dieser misslichen Lage zu retten.
«Catering-Service Willmer!», meldete sie sich auf ihrem Zweithandy.
«Pass mal auf», sagte ich. «Ganz egal, wie viel du gerade zu tun hast, ich brauche dich jetzt auf der Stelle!» Und schilderte ihr die Situation mit Horst und Renate.
Bettina hörte stumm zu. «Verstehe. Okay, ich lasse mir was einfallen. Bis gleich.»
Ich steckte mein Telefon ein und setzte mich wieder an meinen Tisch. Tante machte ein verzweifeltes Gesicht, aber es gelang mir, sie mit einigen Gesten so weit zu beruhigen, dass sie nicht pausenlos zu mir herüberstarrte.
Horst schien von all dem nichts mitzukriegen. Er war beim Thema Bergwandern angelangt und tischte eine tolle Geschichte nach der anderen auf. Fehlte nur noch der Bericht, wie er barfuß auf dem Mount Everest getanzt hatte.
Immerhin hatte diese Sache auch ihr Gutes: Nach diesem Erlebnis würde sich meine Tante sicher nicht so schnell wieder mit einem Unbekannten treffen.
Endlich kam Bettina. Sie ging mit großen Schritten auf den Tisch von Horst und Renate zu.
«Ein Glück, dass ich dich hier finde! Du musst sofort nach Hause kommen!», rief sie aufgelöst. «Wir haben einen Rohrbruch!»
Tante Renate, die nicht verstand, dass Bettina meinen Part übernommen hatte, fasste sich mit beiden Händen ans Herz.
«Grundgütiger!», rief sie entsetzt. «Nicht schon wieder!» Sie war völlig aus dem Häuschen, und ich bekam Angst, dass sie gleich vom Stuhl kippen würde.
«Wir werden sehen, was wir machen können», rief Bettina theatralisch. «Ich hoffe, Sie haben Verständnis, wenn ich Ihnen die Dame jetzt entreiße?»
Horst nickte verdattert. «Äh, ja, selbstverständlich. Aber soll ich nicht lieber
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