George, Elizabeth
ihr Vertrauen in die Justiz gerechtfertigt ist, und um den
Menschen zu zeigen, dass dieses Verbrechen bestraft werden wird, unabhängig vom
Alter der Täter«. Dieses Strafmaß blieb bestehen bis zur Verhandlung vor dem
Europäischen Gerichtshof, bei der die Anwälte der Jungen erfolgreich
argumentierten, dass die Rechte ihrer Mandanten durch die Tatsache verletzt
worden seien, dass ein Politiker - beeinflusst durch die öffentliche Meinung - sich
angemaßt hatte, das Strafmaß festzusetzen.
Als das Strafmaß der Jungen
wieder auf zehn Jahre reduziert wurde, stürzten sich die Boulevardblätter
erneut auf den Fall. Diejenigen, die ohnehin die Idee der europäischen
Einigung verabscheuten, weil sie darin die Wurzel allen Übels in ihrem Land
sahen, führten die Entscheidung aus Luxemburg als typisches Beispiel der
äußeren Einmischung in die inneren Angelegenheiten der britischen Gesellschaft
ins Feld. Was würde als Nächstes kommen?, räsonierten sie. Würde Luxemburg uns
den Euro aufzwingen? Würde man dort vielleicht irgendwann auch noch die
Abschaffung der Monarchie fordern? Diejenigen, die die europäische Einigung
unterstützten, hielten es für klüger, sich jeden Kommentars zu enthalten, denn
eine Zustimmung zu der Entscheidung aus Luxemburg bedeutete, eine gefährliche
Position einzunehmen, die irgendwie implizierte, dass ein Strafmaß von
lediglich zehn Jahren für die Misshandlung und den Mord an einem unschuldigen
Kind ausreichend sei.
Die Verantwortlichen - gewählt
oder nicht -, die die Entscheidung über das Schicksal von Michael Spargo,
Reggie Arnold und lan Barker zu treffen hatten, waren nicht zu beneiden. Die
Natur des Verbrechens legte die Vermutung nahe, dass die drei Jungen schwer gestört
und selbst Opfer ihrer sozialen Umstände waren. Es steht außer Frage, dass ihre
familiären Bedingungen katastrophal gewesen waren, aber ebenso steht außer
Frage, dass andere Kinder, die in ähnlich gestörten oder noch schlimmeren
Umständen aufwachsen, deshalb noch lange nicht jemanden umbringen.
Vielleicht liegt die Wahrheit
darin, dass die Jungen als Einzelne von sich aus nie eine solche Gewalttat begangen
hätten. Und vielleicht liegt die Wahrheit darin, dass das unheilvolle
Zusammenspiel der Ereignisse an jenem Tag zu der Entführung und dem Tod John
Dressers geführt hat.
Als aufgeklärte Gesellschaft
müssen wir uns eingestehen, dass etwas mit Michael Spargo, Reggie Arnold und
lan Barker nicht stimmte, und als aufgeklärte Gesellschaft wären wir es den
drei Jungen schuldig gewesen, ihnen in Form direkter Intervention zu helfen -
und zwar schon lange bevor es zu dem Verbrechen kam - oder ihnen zumindest
therapeutisch beizustehen, nachdem sie von zu Hause abgeholt und bis zum
Prozess eingesperrt worden waren. Müssen wir uns nicht eingestehen, dass wir,
indem wir ihnen weder durch Intervention noch durch Beistand geholfen haben,
als Gesellschaft sowohl gegenüber Michael Spargo, Reggie Arnold und lan Barker
versagt haben, wie auch dabei, den kleinen John Dresser vor diesem Verbrechen
zu schützen?
Es ist einfach, die Jungen mit
dem Bösen gleichzusetzen, aber selbst wenn wir das tun, müssen wir uns vor
Augen halten, dass sie zum Zeitpunkt des Verbrechens Kinder waren. Und wir
müssen uns fragen, welchem Zweck es eigentlich dienen soll, Kinder vor den Augen
der Öffentlichkeit einem Strafprozess auszusetzen, anstatt ihnen ohne Verzug
die Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigen.
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Später hatte sie gesagt: »Ich
bin nicht in dich verliebt. Es ist einfach etwas, das passiert ist.«
Er hatte geantwortet:
»Natürlich. Das ist mir vollkommen bewusst.«
Sie: »Niemand darf davon
erfahren.«
Er: »Ich denke, das wird der
wichtigste Punkt sein.«
Darauf sie: »Warum? Gibt es
noch andere?«
»Was?«
»Wichtige Punkte. Außer dass
ich eine Frau bin und du ein Mann bist und so etwas eben vorkommt.«
Natürlich gab es andere
Punkte, hatte er gedacht. Abgesehen von simplen animalischen Trieben musste er
seine Motivation bedenken. Sie hatte auch eine. Dann waren da noch das Was
jetzt und das Was dann und das Was tun wir, wenn der Boden unter unseren Füßen
zu wanken beginnt.
»Bedauern vermutlich«, hatte
er gesagt.
»Und? Bedauerst du es? Ich
nämlich nicht. Wie gesagt, solche Dinge passieren. Du kannst doch nicht sagen,
dass sie ausgerechnet dir nicht passieren. Das würde ich dir nicht abkaufen.«
Er war nicht so, wie sie
offenbar glaubte, aber er konnte ihr auch nicht
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