George, Elizabeth
Wie-hieß-er-noch vom Innenministerium, ihr persönlicher Maulwurf mit
schönem Gruß von Dorothea Harriman und ihrer Freundin Stephanie
Thompson-Smythe. Er hatte das Codewort gesagt, damit sie sich am Geldautomaten
von Barclay's in der Victoria Street trafen, was bedeutete, dass er etwas für
sie hatte, und...
»Verfluchter Mist«, sagte sie.
»Norman. Ich bin in Hampshire. Sagen Sie's mir am Telefon!«
»Geht nicht, Schätzchen«,
erwiderte er fröhlich. »Ich stecke bis über beide Ohren in Arbeit. Aber heute
Abend wäre nett. Wie wär's mit unserer Stammkneipe? Kann ich dich vielleicht zu
einem Gin Tonic überreden? Alte Stelle, alte Welle?«
Sie dachte krampfhaft nach.
»Norman, hören Sie. Ich kann jemand schicken in... sagen wir einer Stunde? Er
wird >Gin Tonic< sagen, okay? Daran erkennen Sie ihn. In einer Stunde,
Norman. Am Geldautomat in der Victoria Street. >Gin Tonic<, Norman.
Jemand wird da sein.«
Im Vereinigten Königreich
stellt »die Internierung zum Wohlgefallen des regierenden Monarchen« - ein
Euphemismus für lebenslange Haft - die einzige Strafe dar, die gegen jemanden
verhängt werden kann, der des Mordes überführt wurde. Dieses Gesetz wird jedoch
nur auf Mörder angewendet, die über einundzwanzig Jahre alt sind. Im Fall John
Dresser waren die Mörder Kinder. Sowohl diese Tatsache als auch die
aufsehenerregende Art der Tat müssen Richter Anthony Cameron beeinflusst haben,
als er darüber nachdachte, welches Strafmaß er empfehlen sollte.
Das Klima, in dem der Prozess
stattfand, war geprägt von Feindseligkeit bis hin zur Hysterie, was sich vor
allem an der Reaktion derjenigen zeigte, die sich außerhalb des
Gerichtsgebäudes versammelt hatten. Während im Gerichtssaal selbst zwar
Anspannung herrschte, aber keinerlei gegen die Jungen gerichtete Aggressionen
offen zutage traten, war dies vor den Toren des Gerichts keineswegs der Fall.
Die anfängliche Wut auf die drei Angeklagten - die sich zuerst in
Zusammenrottungen vor den Elternhäusern Luft machte und danach in wiederholten
Versuchen, die gepanzerten Fahrzeuge anzugreifen, in denen die Jungen jeden Tag
zum Gericht gebracht wurden - ging in organisierte Demonstrationen über, die
sich schließlich bis zum sogenannten »Schweigemarsch für Gerechtigkeit«
steigerten, bei dem sage und schreibe zwanzigtausend Menschen mit Kerzen und
unter Gebeten vom Barriers-Einkaufszentrum zum Dawkins-Gelände zogen, wo sie
Alan Dressers mit gebrochener Stimme gehaltener Abschiedsrede für seinen
kleinen Sohn lauschten. Alan Dressers Schlussworte: »Johns Tod darf nicht
ungesühnt bleiben«, wurden zum Motto für die öffentliche Stimmung.
Man kann nur erahnen, wie
Richter Cameron um eine Entscheidung rang. Es kam nicht von ungefähr, dass er
seit Langem wegen seiner Neigung, bei Prozessen, denen er vorsaß, die
Höchststrafe zu empfehlen, als »Maximum Tony« berüchtigt war. Aber er hatte
bisher nie mit zehn- und elfjährigen Straftätern zu tun gehabt, und er konnte
nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass die Beteiligten an dieser
entsetzlichen Tat Kinder waren. Sein Auftrag jedoch verlangte von ihm, nur das
in Erwägung zu ziehen, was ihm als Strafe und als Abschreckung angemessen
erschien. Er empfahl ein Strafmaß von acht Jahren Gewahrsam - eine Strafe, die
von der Öffentlichkeit und der Boulevardpresse sowie von den meisten Zeitungen
fast als Freispruch gewertet wurde. Daraufhin wurde eine Reihe nie da gewesener
rechtlicher Manöver in Gang gesetzt. Eine Woche später hob der Lord Oberrichter
das Strafmaß auf und verhängte ein neues Strafmaß von zehn Jahren, aber schon
ein halbes Jahr später hatten die Dressers 500000 Unterschriften für eine
Petition gesammelt, die eine lebenslange Haftstrafe für die Mörder forderte.
Mittlerweile hatte sich der Fall
zu einer unendlichen Geschichte entwickelt. Die Boulevardpresse hatte sich auf
John Dressers Eltern gestürzt und Johns Tod in den Rang einer cause celebre gehoben. Nach der Verkündung
des Strafmaßes war die Identität der Täter nicht länger geschützt. Die Presse
durfte sowohl ihre Fotos als auch die grauenhaften Details des Verbrechens
veröffentlichen. Angesichts der Ungeheuerlichkeit des Mordes wuchs die Zahl
derer rapide, die eine harte Bestrafung für die einzig mögliche Antwort auf
solch ein Verbrechen hielten. Und damit war der Innenminister am Zug, der das
Strafmaß noch einmal auf unfassbare zwanzig Jahre anhob, »um der Öffentlichkeit
zu versichern, dass
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