George, Elizabeth
sich bereits am Vortag einen halben Tag freigenommen,
und heute sei ohnehin ihr freier Tag. Ob er eine Nachricht für sie hinterlassen
wolle. Nein, wollte er nicht.
Er beendete das Gespräch und fummelte
an dem abgegriffenen Lederbezug seines Lenkrads herum. Also gut, sagte er
sich, mal abgesehen davon, dass Meredith sich Sorgen machte, hatte Jemima
schließlich Geburtstag, und wahrscheinlich machte sie sich einfach einen
schönen Tag. Das tat sie ganz bestimmt. Er erinnerte sich, dass sie neuerdings
immer wieder begeistert vom Schlittschuhlaufen erzählt hatte. Sie nahm
Unterricht oder irgendetwas. Es war also durchaus möglich, dass sie zur
Eisbahn gefahren war. Das würde zu ihr passen.
Aber Robbie hatte Meredith
nicht alles erzählt, als sie in Burley unter der Kastanie gesessen hatten. Er
hatte es nicht für nötig gehalten, vor allem da Jemima im Gegensatz zu
Meredith, der guten Seele, jede Menge Männergeschichten hinter sich hatte. Er
hatte Meredith, die sich nach der einen katastrophalen Beziehung, auf die sie
sich eingelassen hatte, als alleinerziehende Mutter durchschlug, nicht mit der
Nase darauf stoßen wollen. Außerdem hatte er große Achtung vor Meredith Powell:
Sie hatte ihre Mutterrolle angenommen und machte ihre Sache richtig gut.
Jemima hatte Gordon Jossie
tatsächlich nicht wegen eines anderen verlassen, insofern entsprach das, was
Robbie Meredith erzählt hatte, der Wahrheit. Aber wie es von seiner Schwester
nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte sie schon bald einen Neuen gehabt.
Das hatte er Meredith verschwiegen. Und jetzt fragte er sich, ob das vielleicht
ein Fehler gewesen war.
»Er ist etwas ganz
Besonderes«, hatte Jemima auf ihre typische Art geschwärmt. »Ich bin wahnsinnig verliebt in ihn.«
Das war sie jedes Mal:
wahnsinnig verliebt. Warum sollte man sich mit Neugier, Interesse oder
Freundschaft begnügen, wenn man wahnsinnig verliebt sein konnte? Denn
wahnsinnig verliebt zu sein bedeutete, nicht einsam zu sein.
Jemima war nach London
gegangen, um nachzudenken, aber allzu intensives Nachdenken löste bei ihr
regelmäßig Ängste aus, und sie lief lieber vor ihren Ängsten davon, als sich
ihnen zu stellen. Aber tat das nicht jeder? Würde er es nicht auch tun, wenn er
könnte?
Robbie fuhr ein Stück
außerhalb von Burley die Honey Lane hinauf. Im Hochsommer glich sie einem
grünen Tunnel, gesäumt von Hex und überdacht von den Kronen der Buchen und
Eichen. Der Weg war nicht asphaltiert, und Robbie fuhr äußerst vorsichtig, um
Schlaglöcher zu vermeiden. Er befand sich lediglich einen Kilometer außerhalb
des Dorfs, aber hier geriet man in eine andere, vergangene Zeit. Hinter den
Bäumen lagen Pferdekoppeln und daran angrenzend Ländereien und Bauernhöfe.
Dahinter begann dichtes Waldgebiet, wo duftende Fichten, Haselsträucher und
Birken allem möglichen wilden Getier einen Lebensraum boten, von Hirschen bis
zu Haselmäusen, von Wieseln bis zu Spitzmäusen. Von Burley aus konnte man zu
Fuß hier heraufkommen, aber zu Fuß kam kaum jemand. Es gab bequemere Wege, und
aus Erfahrung wusste Robbie, dass die Leute es gern bequem hatten.
Auf der Hügelkuppe bog er nach
links ab in das weitläufige Gebiet, für das seit Generationen die Hastings'
verantwortlich waren: vierzehn Hektar Wald- und Weideland. Im Nordosten war das
Dach von Burley Hill House zu sehen und ganz weit hinten die höchste Stelle der
Castle Hill Lane. Auf einer Koppel grasten seine beiden Pferde, froh, ihn an
diesem heißen Sommertag nicht durch den New Forest tragen zu müssen.
Robbie parkte in der Nähe der
baufälligen Scheune und des angebauten Schuppens, bemüht, nicht hinüberzusehen,
um nicht daran erinnert zu werden, wie viel Arbeit es ihn kosten würde, sie
wieder in Schuss zu bringen. Er stieg aus und schlug die Tür zu, woraufhin sein
Hund hinter dem Haus hervorgerannt kam, wo er garantiert im Schatten geschlafen
hatte. Er wedelte mit dem Schwanz und hechelte mit heraushängender Zunge und
war so verdreckt, dass er kaum wiederzuerkennen war. Normalerweise war der
Weimaraner eine elegante Erscheinung. Aber die Hitze machte ihm zu schaffen,
und er hatte sich im Komposthaufen gewälzt, als könnte das helfen. Er
schüttelte sich, um den Dreck loszuwerden, der in seinem Fell klebte.
»Na, Frank? Das findest du
wohl lustig, was?«, sagte Robbie. »Du siehst zum Fürchten aus, und das weißt du
ganz genau. So kommst du mir jedenfalls nicht ins Haus.«
Aber im Haus gab es keine
Frau, die ihm
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