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George, Elizabeth

George, Elizabeth

Titel: George, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer dem Tod geweiht
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lassen, aber die Polizeiarbeit hatte
an seine Tür geklopft, und das würde sie wahrscheinlich immer wieder tun, ob es
ihm nun gefiel oder nicht.
    Nachdem Isabelle Ardery sich
verabschiedet hatte, trat Lynley ans Fenster und sah ihr nach, wie sie
entschlossenen Schrittes zu ihrem Wagen ging. Sie war groß - mindestens eins
achtzig. Er war eins fünfundachtzig groß, und sie waren buchstäblich auf
Augenhöhe gewesen. Alles an ihr war professionell, von ihrer maßgeschneiderten
Kleidung bis zu den blank polierten Pumps und dem glatten, bernsteinfarbenen,
exakt auf Kinnlänge geschnittenen Haar, das sie hinter die Ohren geschoben
hatte.
    Goldene Ohrstecker und eine
Halskette mit einem kleinen runden Anhänger waren alles, was sie sich an
Schmuck gestattete. Sie trug eine Armbanduhr, aber keine Fingerringe, und ihre
Hände waren gepflegt, die Nägel kurz und manikürt, die Haut weich. Sie war eine
Mischung aus männlich und weiblich, was sie vermutlich sein musste: Um in der
Welt der Polizei erfolgreich zu sein, war sie gezwungen, sich nach außen hin
männlich zu geben, während sie tief im Innern immer eine Frau bleiben würde.
Das war bestimmt nicht leicht.
    Er sah, wie sie vor dem Auto
ihre Handtasche öffnete. Die Autoschlüssel fielen ihr aus der Hand, sie hob sie
auf und öffnete die Fahrertür. Sie wühlte nach irgendetwas in ihrer Handtasche,
aber offenbar fand sie es nicht, denn sie warf die Tasche auf den
Beifahrersitz, stieg ein, ließ den Motor an und fuhr davon.
    Eine Weile blieb er am Fenster
stehen. Er hatte schon lange nicht mehr an diesem Fenster gestanden, denn es
ging zu der Straße hinaus, in der Helen gestorben war, und er hatte sich nie
überwinden können hinauszuschauen, vor lauter Angst, alles wieder vor sich zu
sehen. Doch jetzt stellte er fest, dass es einfach nur eine Straße war, die
aussah wie viele Straßen in Belgravia. Herrschaftliche weiße Häuser,
schmiedeeiserne Zäune, die im Sonnenlicht glänzten, Blumenkästen, in denen Efeu
rankte und Sternjasmin seinen Duft verströmte.
    Er wandte sich vom Fenster ab
und ging nach oben. Aber er ging nicht zurück in die Bibliothek, wo er die Financial Times gelesen hatte, sondern zu dem
Zimmer neben dem Schlafzimmer, das er mit seiner Frau geteilt hatte, und
öffnete zum ersten Mal seit dem vergangenen Februar die Tür. Und zum ersten
Mal seit dem vergangenen Februar betrat er das Zimmer.
    Es war nicht ganz fertig
geworden. Ein Kinderbettchen musste noch zusammengebaut werden, denn sie waren
nicht weiter gekommen, als die Einzelteile auszupacken. Sechs Rollen Tapete
lehnten an der Holzvertäfelung, die nur vorgestrichen worden war. Die
Deckenlampe befand sich noch immer im Originalkarton, und unter einem der
Fenster stand ein Wickeltisch, allerdings ohne Wickelauflage. Die befand sich
aufgerollt in einer Einkaufstüte von Peter Jones, eine von mehreren derselben Sorte mit Kissen,
Windeln, Milchpumpe, Fläschchen... Unglaublich, wie viele Sachen man für ein
Geschöpf benötigte, das bei seiner Geburt knappe drei Kilo wog.
    Die Luft in dem Zimmer war
stickig und heiß, und Lynley riss die Fenster auf. Von draußen kam kaum ein
Luftzug herein, was ihn dazu veranlasste, sich zu fragen, warum sie das nicht
bedacht hatten, als sie sich entschlossen hatten, hier das Kinderzimmer für
ihren Sohn einzurichten. Es war Spätherbst gewesen, der Winter hatte sich
bereits angekündigt, und sie waren gar nicht erst auf die Idee gekommen, sich
über die Sommerhitze Gedanken zu machen. Und alles hatte sich um die
Schwangerschaft selbst gedreht anstatt um das, was die Schwangerschaft hervorbringen
würde. Wahrscheinlich ging es vielen Paaren so, dachte er. Sie beschäftigten
sich mit den Problemen, die es bis zur Geburt zu bewältigen galt, und erst
dann fingen sie an, sich als Eltern zu begreifen. Solange kein Kind da war,
dem man Vater oder Mutter sein konnte, war es unmöglich, sich als Vater oder
Mutter zu fühlen.
    »M'lord.«
    Lynley fuhr herum. Charlie
Denton stand in der Tür. Er wusste, dass Lynley es nicht mochte, mit seinem
Titel angeredet zu werden, aber sie hatten sich nie darüber verständigt, was er
tun oder sagen sollte, um sich bemerkbar zu machen, außer den Titel in
irgendeiner Form zu nuscheln oder sich zu räuspern.
    »Was gibt's, Charlie? Machen
Sie sich auf den Weg?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich
war schon da.«
    »Und?«
    »Bei diesen Dingen weiß man
nie. Ich dachte, mein Outfit käme gut an, aber der Regisseur hatte kein gutes
Wort

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