George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika
würde langsam wieder zurückkehren, die Renditen ausstehender Anleihen würden sinken, die Banken würden für den Besitz italienischer Staatsanleihen nicht mehr bestraft werden und Italien bekäme wieder zu vernünftigeren Zinsen Zugang zum Markt. Ein möglicher Einwand gegen diese Strategie ist, dass sie die durchschnittliche Laufzeit italienischer und spanischer Anleihen verringern würde. Ich möchte behaupten, dass dies unter den derzeitigen außergewöhnlichen Umständen vorteilhaft wäre, denn es würde die Regierung des betroffenen Landes an der kurzen Leine halten. Das Land könnte es sich nicht leisten, die Fazilität der EZB zu verlieren.
Im Falle Italiens würde die kurze Leine aufmüpfige Politiker davon abhalten, sich den Forderungen der technokratischen Regierung zu widersetzen, denn wenn sie vorgezogene Wahlen ansetzen würden, dann würden die Wähler sie bestrafen. Dies würde zur Wiederherstellung der politischen Stabilität beitragen und Italiens Rückkehr auf den Markt beschleunigen. (Sollte Italien zu dem Zeitpunkt, zu dem der neue Vertrag in Kraft tritt, immer noch auf diese Fazilität angewiesen sein, könnte der ESM verwendet werden, um längerfristige Anleihen mit variablen Zinsen zu garantieren. Dies könnte als Ersatz für die Eurobonds fungieren, die derzeit keine politische Akzeptanz finden).
Einige Gläubigerländer könnten diesem Einsatz der EFSF trotzdem noch mit dem Argument widersprechen, der Umsetzungsmechanismus für die Finanzdisziplin sei nicht stark genug. Dem könnte man abhelfen, indem man verlangt, dass sich die betroffenen Länder einem IWF-Programm unterziehen. Man müsste diesen Ländern allerdings versichern, dass kostengünstige Finanzierungen vorhanden sind, um zu rechtfertigen, dass sie einen derart beschwerlichen Schritt unternehmen.
Ein weiterer möglicher Einwand ist, dass die Gewährung günstiger Finanzierungen für Spanien und Italien andere Emittenten von Staatsanleihen wie Belgien und Frankreich gefährden würde, die nicht auf die EFSF-Garantie zurückgreifen. Die Banken würden ihre Positionen von nicht verbürgten Emittenten zugunsten derer von verbürgten Emittenten liquidieren. Ich halte solche Bedenken für fehl am Platz. Die durch die EFSF garantierten kurzfristigen Anleihen würden sich aus einem risikoaversen Pool von Kapital speisen, das zum Teil auf Konten für überschüssige Reserven bei der EZB verwahrt wird. Risikobereites Kapital hätte dann weniger Gelegenheiten, was zu niedrigeren Renditen der Anleihen von anderen Ländern der Eurozone führen würde.
Auf jeden Fall könnte die EFSF-Bürgschaft ausgeweitet werden, falls ein weiteres Land sie benötigen sollte. Die EFSF hat auch ohne die Nutzung von Hebelwirkungen mehr als genug Kapital. Von den 780 Milliarden Euro an genehmigtem Kapital sind 560 Milliarden immer noch frei. Das wäre mehr als ausreichend für die Deckung des Solvenzrisikos, das die EZB eingehen würde, denn die Garantie gilt nur für kurzfristige Staatsanleihen, die Banken der EZB andienen. Und schließlich würden die europäischen Behörden dadurch eine Maßnahme durchführen, für die sie mehr als genügend Mittel besitzen. Das würde die Märkte positiv überraschen und ihre Stimmungslage umkehren – denn Märkte haben Stimmungslagen . Das müssen die offiziellen Stellen begreifen, um die Situation wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Mein Vorschlag entspricht nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Geist von Artikel 123. Die Aufgabe der EZB besteht darin, den Banken Liquidität zur Verfügung zu stellen, während die EFSF geschaffen wurde, um Solvenzrisiken aufzufangen. Gemeinsam könnten EZB und EFSF das tun, was die EZB allein nicht tun kann. Die EZB würde keine zusätzliche Kreditaufnahme von Mitgliedsländern ermöglichen, sondern ihnen bloß helfen, ihren Kreditbedarf zu niedrigeren Kosten zu finanzieren. Dies würde einen fatalen Konstruktionsfehler des Euros vorübergehend abmildern, bis die Mitgliedsländer durch die Aushandlung eines Finanzpakts eine dauerhaftere Lösung bieten können. Die Bankaufsichtsbehörden könnten ihrerseits beruhigt sein, weil die von den Banken gehaltenen kurzfristigen Anleihen Bargeldäquivalente wären. Somit wäre mein Vorschlag der mit Abstand effektivste Einsatz der EFSF – vor allem weil der Markt einer EFSF-Garantie keinen großen Wert beimisst. Sollte es seitens der EZB oder der Regulierer etwaige rechtliche Einwände oder Einwände aus Gründen der Vorsicht dagegen
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