George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika
Endeffekt beschlossen sie, dass sie keine große Finanzinstitution mehr würden bankrottgehen lassen, und außerdem gaben sie Einlegern Bürgschaften gegen Verluste. Dies hatte unbeabsichtigte nachteilige Auswirkungen auf die Peripherieländer und die Behörden wurden davon unvorbereitet getroffen. In den letzten Tagen fand eine allgemeine Flucht in die Sicherheit von der Peripherie zurück ins Zentrum statt. Manche Währungen sind gegenüber dem Dollar und dem Yen gefallen, einige von ihnen sehr steil. Die Zinsen und die Kreditausfallprämien sind gestiegen und die Aktienmärkte sind eingebrochen. Die Nachschussforderungen haben sich vervielfacht, sie greifen jetzt auf die Aktienmärkte in den Vereinigten Staaten und Europa über und beschwören das Gespenst einer erneuten Panik herauf.
Der IWF diskutiert eine neue Kreditfazilität für Länder an der Peripherie, die sich von den an Bedingungen geknüpften Kreditlinien unterscheidet, die nie genutzt wurden, weil die Bedingungen zu hart waren. Die neue Fazilität würde keine Bedingungen mit sich bringen und Länder mit solider Wirtschaftspolitik nicht stigmatisieren. Zusätzlich ist der IWF bereit, weniger qualifizierten Ländern Kredite zu gewähren, die an Bedingungen geknüpft sind. Island und die Ukraine haben bereits unterzeichnet, das nächste Land ist Ungarn.
Dieser Ansatz ist zwar richtig, aber das ist zu wenig und kommt zu spät. Der Höchstbetrag, den man über diese Fazilität beziehen kann, beläuft sich auf das Fünffache der Quote des betreffenden Landes. Im Falle Brasiliens wären das beispielsweise 15 Milliarden Dollar, was im Vergleich zu den Devisenreserven Brasiliens in Höhe von 200 Milliarden Dollar ein Taschengeld ist. Um die Märkte zu beruhigen, ist ein viel größeres und flexibleres Paket nötig. Die Notenbanken im Zentrum sollten umfangreiche Swaplinien mit den Notenbanken qualifizierter Länder in der Peripherie eröffnen. Länder mit großen Devisenreserven wie China, Japan, Abu Dhabi und Saudi-Arabien sollten einen zusätzlichen Fonds bereitstellen, der flexibler verteilt werden könnte. Außerdem besteht dringender Bedarf an kurzfristigen und längerfristigen Krediten, die Länder mit soliden steuerlichen Verhältnissen in die Lage versetzen könnten, eine keynesianische antizyklische Politik zu betreiben. Das Gespenst einer weltweiten Depression kann nur durch die Anregung der Binnennachfrage vertrieben werden.
Leider hinken die Behörden immer hinter den Ereignissen hinterher und deshalb läuft die Finanzkrise aus dem Ruder. Sie hat bereits die Golfstaaten umzingelt und möglicherweise haben Saudi-Arabien und Abu Dhabi mit ihrer eigenen Region schon zu viele Sorgen, als dass sie Beiträge zu einem globalen Fonds leisten könnten. Es wird Zeit, über die Einführung von Sonderziehungsrechten oder einer anderen Form internationaler Reserven im großen Stil nachzudenken, aber dies unterliegt dem amerikanischen Veto.
Präsident Bush hat zwar für den 15. November einen G-20-Gipfel anberaumt. Eine solche Veranstaltung bringt jedoch nicht viel, wenn es die Vereinigten Staaten mit der Unterstützung einer globalen Rettungsanstrengung nicht ernst meinen. Wenn die Vereinigten Staaten ihren Führungsanspruch nicht verwirken wollen, müssen sie beim Schutz der peripheren Länder vor einem Sturm, der seinen Ursprung in den Vereinigten Staaten hatte, den Weg aufzeigen. Auch wenn Bush diese Ansicht nicht teilt, ist zwar zu hoffen, dass der nächste Präsident das tut, aber bis dahin wird der Schaden schon viel größer sein.
TEIL II
2009: Die richtige und die falsche Finanzreform
DIE RICHTIGE UND DIE FALSCHE ART DER BANKENRETTUNG
Financial Times , 22. Januar 2009
Laut Berichten aus Washington steht die Obama-Administration möglicherweise kurz davor, bis zu 100 Milliarden Dollar der zweiten Tranche des TARP für die Schaffung einer „Aggregator Bank“ zu verwenden, die toxische Wertpapiere aus den Bankbilanzen entfernt. Laut dem Plan würde dieser Betrag mithilfe der Bilanz der Federal Reserve um den Faktor 10 gehebelt, sodass das Bankensystem um faule Anlagen im Wert von bis zu 1.000 Milliarden Dollar (770 Milliarden Euro, 726 Milliarden Britische Pfund) befreit werden könnte.
Zwar ist über die Details noch nicht entschieden, aber dieser Ansatz greift auf jenen zurück, den der ehemalige US-Finanzminister Hank Paulson ursprünglich angewendet, dann aber wieder aufgegeben hat. Der Vorschlag ist mit den gleichen Mängeln behaftet: Die
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