George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika
aber im Grunde handelt es sich dabei um eine internationale Geldschöpfung. Länder, die selbst Geld schöpfen können, brauchen sie nicht, aber die Länder der Peripherie schon. Deshalb sollten die reichen Länder den bedürftigen Ländern ihre Zuteilungen leihen.
Die Nehmerländer würden dem IWF sehr niedrige Zinsen dafür bezahlen, entsprechend dem Durchschnitt der kurzfristigen Staatsanleihen aller konvertierbaren Währungen. Über ihre eigenen Zuteilungen könnten sie frei verfügen, aber die Verwendung der geliehenen Zuteilungen würde unter Aufsicht gestellt, um zu gewährleisten, dass sie sinnvoll ausgegeben werden.
Zusätzlich zur einmaligen Erhöhung der IWF-Mittel sollte es für die Dauer der Rezession eine alljährliche Ausgabe von SZR in Höhe von beispielsweise 250 Milliarden Dollar geben. Zwar ist es zu spät, diese Vereinbarung noch auf dem G-20-Gipfel am 2. April zu treffen. Wenn aber Präsident Barack Obama dies anregen würde und andere es unterstützen würden, wäre das schon ausreichend, damit die Märkte Mut schöpfen und den Gipfel in einen durchschlagenden Erfolg verwandeln.
EINE MÖGLICHKEIT, BAISSE-MANÖVER ZU STOPPEN
Wall Street Journal , 23. März 2009
In dem ganzen Tumult um AIG wurde die wichtigste Lektion übersehen. AIG ging fast pleite, weil es große Mengen an Credit Default Swaps (CDS) verkauft hatte, ohne seine Positionen angemessen auszugleichen oder zu decken. Daraus sollten wir lernen, dass CDS toxische Instrumente sind, deren Gebrauch streng reguliert werden sollte: Man sollte sie nur kaufen dürfen, wenn man die Anleihen besitzt, die ihnen zugrunde liegen. Die Einführung dieser Vorschrift würde eine zerstörerische Kraft zügeln und den Preis dieser Swaps senken. Außerdem würde das US-Finanzministerium damit viel Geld sparen, weil dadurch der Verlust auf die noch ausstehenden Positionen von AIG sinken würde, ohne dass dafür Kontrakte aufgelöst werden müssten.
Entstanden sind die CDS als Möglichkeit, Anleihen gegen Zahlungsausfall zu versichern. Da es handelbare Instrumente sind, wurden sie zu Baisse-Optionsscheinen, mit denen man darauf spekulieren kann, dass sich der Zustand eines Unternehmens oder eines Landes verschlechtert. Toxisch sind sie, weil solche Spekulationen selbsterfüllend werden können.
Bis zum Crash 2008 besagte die herrschende Ansicht – unter dem Namen „Theorie der Markteffizienz“ –, die Preise von Finanzinstrumenten würden alle verfügbaren Informationen (also die zugrunde liegende Wirklichkeit) exakt widerspiegeln. Das stimmt aber nicht. Die Finanzmärkte haben es nicht mit der gegenwärtigen Wirklichkeit zu tun, sondern mit der Zukunft – und die ist eine Frage der Voraussage, keine Frage des Wissens.
Deshalb müssen wir die Finanzmärkte mittels eines neuen Paradigmas verstehen, welches anerkennt, dass sie immer eine verzerrte Sicht der Zukunft liefern und dass sich preisliche Verzerrungen an den Finanzmärkten auf die zugrunde liegende Wirklichkeit auswirken können, die diese Preise angeblich widerspiegeln. (Ich bezeichne diesen Rückkopplungsmechanismus als „Reflexivität“.)
Man kann den Giftcharakter der CDS anhand dieses neuen Paradigmas in einer Argumentation in drei Schritten demonstrieren. Der erste Schritt ist die Erkenntnis, dass am Aktienmarkt ein asymmetrisches Chance-Risiko-Profil zwischen Kaufen (long) und Leerverkaufen (short) besteht. Wenn man mit einer Long-Position Verlust macht, sinkt das eingegangene Risiko, aber wenn man mit einer Short-Position Verlust macht, steigt es. Infolgedessen kann man geduldiger warten, wenn man long steht und falschliegt, als wenn man short steht und falschliegt. Diese Asymmetrie spricht gegen das Shorten.
Der zweite Schritt ist die Erkenntnis, dass der CDS-Markt eine bequeme Möglichkeit darstellt, Anleihen zu shorten, dass aber hier die Chance-Risiko-Asymmetrie umgekehrt verläuft. Wenn man durch den Kauf eines CDS-Kontrakts Anleihen shortet, bringt das ein begrenztes Risiko, aber fast unbegrenztes Gewinnpotenzial mit sich. Im Gegensatz dazu bringt der Verkauf von CDS begrenzte Gewinne, aber praktisch unbegrenzte Risiken mit sich. Diese Asymmetrie spricht für Spekulationen auf der Short-Seite, die nun aber Abwärtsdruck auf die zugrunde liegenden Anleihen ausüben. Dieser negative Effekt wird noch dadurch verstärkt, dass CDS handelbar sind und darum ihre Preisbildung ähnlich wie bei verbrieften, jederzeit verkäuflichen Optionsscheinen erfolgt und nicht wie bei
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