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George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

Titel: George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Soros , Steve Clemons
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Optionen, für deren Ausübung ein tatsächlicher Zahlungsausfall notwendig wäre. Die Menschen kaufen sie also nicht, weil sie wirklich mit einem Zahlungsausfall rechnen, sondern weil sie erwarten, dass der Preis der CDS als Reaktion auf ungünstige Entwicklungen steigt. AIG dachte, es würde Versicherungen auf Anleihen verkaufen, und hielt daher die CDS für enorm überteuert. In Wirklichkeit verkaufte es jedoch Baisse-Optionsscheine und unterschätzte dabei massiv das Risiko.
    Der dritte Schritt ist die Erkenntnis der Reflexivität, was bedeutet, dass sich die Fehlpreisung von Finanzinstrumenten auf die Fundamentaldaten auswirken kann, welche die Marktpreise angeblich widerspiegeln. Nirgends ist dieses Phänomen so ausgeprägt wie bei den Finanzinstituten, bei denen es ja sehr vom Vertrauen abhängig ist, ob sie Geschäfte machen können. Ein Rückgang ihrer Aktien- und Anleihekurse kann ihre Finanzierungskosten erhöhen. Das bedeutet, dass Baisse-Manöver, die auf Finanzinstitutionen abzielen, selbsterfüllend sein können.
    Nimmt man diese drei Überlegungen zusammen, wird klar, dass AIG, Bear Stearns, Lehman Brothers und andere Unternehmen von Baisse-Manövern vernichtet wurden, wobei die Aktien-Leerverkäufe und die CDS-Käufe einander gegenseitig verstärkten und aufschaukelten. Das unbegrenzte Shorten von Aktien wurde durch die Abschaffung der Uptick-Regel möglich gemacht. Diese hätte Baisse-Manöver dadurch verhindert, dass Leerverkäufe nur bei steigenden Preisen erlaubt gewesen wären. Das unbegrenzte Shorten von Anleihen wurde durch den CDS-Markt ermöglicht beziehungsweise erleichtert. Die beiden bildeten eine tödliche Kombination. Und AIG hatte das nicht begriffen.
    Viele argumentieren jetzt, CDS sollten an geregelten Börsen gehandelt werden. Ich bin aber überzeugt, dass sie toxisch sind und ihr Einsatz nur erlaubt sein sollte, wenn man die entsprechenden Anleihen besitzt – nicht wenn man gegen Länder oder Unternehmen spekulieren will. Wenn diese Regel gelten würde – für die internationale Vereinbarungen und Bundesgesetze notwendig wären –, würde der Kaufdruck auf CDS bedeutend abnehmen und die Preise aller umlaufenden CDS würden sinken. Das hätte den angenehmen Nebeneffekt, dass das US-Finanzministerium bei seinem AIG-Engagement viel Geld sparen würde.

DIE DREI SCHRITTE ZUR FINANZREFORM
Financial Times , 16. Juni 2009
    Es wird erwartet, dass die Obama-Administration heute einen Vorschlag macht, wie wir die Finanzmärkte regulieren sollen. Ich bin kein Verfechter von zu viel Regulierung. Nachdem wir mit der Deregulierung zu weit gegangen sind – was zu der aktuellen Krise beigetragen hat –, müssen wir der Versuchung widerstehen, in der entgegengesetzten Richtung zu weit zu gehen. Zwar sind die Märkte unvollkommen, aber für die Regulierer gilt das umso mehr. Sie sind nicht nur menschlich, sondern auch bürokratisch, und sie unterliegen politischen Einflüssen, und deshalb sollten die Regulierungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
    Die Reform sollte von drei Prinzipien geleitet sein. Da die Märkte für Blasen anfällig sind, müssen die Regulierer als Erstes die Verantwortung dafür übernehmen, zu verhindern, dass Blasen zu groß werden. Alan Greenspan, der ehemalige Vorsitzende der Federal Reserve, und andere haben diese Verantwortung ausdrücklich abgelehnt. Wenn die Märkte Blasen nicht erkennen, so argumentierten sie, können Regulierer das auch nicht. Damit hatten sie zwar recht, aber die Behörden müssen diesen Auftrag auch in dem Wissen annehmen, dass sie sich zwangsläufig irren. Allerdings werden sie den Vorteil haben, dass sie Feedback von den Märkten bekommen, sodass sie ständig nachbessern können und müssen, um ihre Fehler zu korrigieren.
    Zweitens reicht es für die Kontrolle von Vermögenswertblasen nicht aus, die Geldmenge zu kontrollieren. Wir müssen auch die Verfügbarkeit von Kredit kontrollieren. Allein mit geldpolitischen Instrumenten geht das nicht – wir müssen auch Kreditkontrollen wie Margin-Anforderungen und Mindestkapital-Anforderungen einsetzen. Diese werden momentan tendenziell ungeachtet der Marktstimmung festgelegt. Es gehört aber zur Aufgabe der Behörden, diesen Stimmungen entgegenzuwirken. Margin- und Mindestkapital-Anforderungen sollten an die Marktbedingungen angepasst werden. Die Regulierer sollten zum Zweck der Risikogewichtung das Darlehens-Wert-Verhältnis von gewerblichen und privaten Hypothekendarlehen variieren, um

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