Georgette Heyer
ich»,
antwortete er unverfroren. Er setzte sich nieder und ließ sein Monokel an dem langen
Band fallen. «Was hat dich hergebracht, Venetia?»
«Die Postkutsche – und äußerst
unbequem außerdem!»
«Keine Wortklauberei, Mädchen!»
Sie lächelte ihn an und sagte leise:
«Dummer!»
Sie erhielt kein Lächeln als
Antwort; er war blaß und sah ziemlich grimmig drein. Nach einer winzigen Pause
sagte er: «Ich wünschte zu Gott, du wärst nicht gekommen!»
«Oh! Das – das ist ja eine gräßliche
Abfuhr, besonders da ich den Eindruck hatte, daß du froh warst, mich
wiederzusehen.»
«Ich war bös angesäuselt – ich bin davon
immer noch ein bißchen angegriffen, aber nicht länger von Sinnen.»
«Oh, Lieber, hast du vor, mich nur
zu küssen, wenn du angesäuselt bist?»
«Ich habe nicht vor, dich überhaupt
zu küssen!» sagte er schroff.
«Dann natürlich will ich dich nicht
dazu drängen», antwortete sie. «Nichts ist abscheulicher, als zu etwas gedrängt
zu werden, was man nicht im geringsten gern tut! Ich habe in letzter Zeit sehr
viel Erfahrung darin gemacht. Ich kenne nur etwas, das schlimmer ist, und das
ist, von wohlmeinenden, aber vollkommen schafsköpfigen Leuten belagert zu
werden, die sich nicht davon zurückhalten können, sich in Dinge einzumischen,
die sie nichts angehen.»
«Venetia ...» Er hielt inne, weil
Imber hereinkam, und saß stumm mit mürrischem Stirnrunzeln da, während ihr eine
Tasse Suppe vorgesetzt wurde.
«Ach, wie gut die duftet!» sagte
Venetia und ergriff den Löffel. «Oh, Imber, frische Haferbrötchen! Ja,
natürlich will ich eines nehmen! Jetzt erst weiß ich wirklich, daß ich wieder
daheim bin!» Sie wandte den Kopf, um Damerel anzusprechen. «Meine Tante, muß
ich Ihnen erzählen, hat einen französischen Koch. Er bringt die lekkersten
Gerichte zustande, aber ich habe mir trotzdem nicht helfen können und mich
manchmal nach gewöhnlicher Yorkshire-Kost gesehnt.»
«Wie hat es Ihnen in London
gefallen?» fragte er, während Imber Venetias Glas mit Limonade füllte.
«überhaupt nicht. Das heißt,
vielleicht ist das ein bißchen ungerecht! Ich glaube, unter anderen Umständen
hätte es mir sehr gut gefallen.» Sie fügte hinzu, als Imber das Zimmer
verlassen hatte: «Ich war zu unglücklich und zu allein, um ein Vergnügen daran
zu haben. Weißt du, ich hatte niemanden, der mit mir gelacht hätte.»
Er sagte gepreßt: «Natürlich hast du
dich fremd gefühlt. Waren sie nett zu dir, dein Onkel und deine Tante?»
«Sehr nett. Nur – na, macht nichts.
Ich glaube nicht, daß ich es dir erklären kann.»
«Es mir erklären? Glaubst du, ich
kenne das nicht? Glaubst du, ich habe dich nicht jeden Tag – nicht jede Minute
vermißt?!» fragte er ungestüm. «Und habe mir vorgestellt, daß du dort, genau
dort sitzt, wo du jetzt sitzt, wie du an jenem ersten Abend gesessen hast, mit
jenem Lächeln in deinen Augen ...» Er brach ab. «Nun, du brauchst mir's nicht
zu erklären! Ich kenne es. Aber glaube mir – so glaub mir doch, mein liebes
Entzücken, es geht vorüber!»
«Ja, das hast du mir schon gesagt,
als du mir Lebewohl sagtest», stimmte sie ihm zu. «Meine Tante hat mir das
auch gesagt, und ich zweifle nicht daran, mein Onkel würde mir's auch sagen,
denn ich bin überzeugt, er hat es dir gesagt. Aber was keiner von euch mir
überhaupt klargemacht hat, ist, warum es für euch < ein unwiderruflich' Ende,
innigst herbeigewünscht > sein sollte! Aber ich will nicht lästig sein, daher
will ich dich nicht mit Fragen quälen. O Himmel, ich höre Imber zurückkommen!
Ich glaube, es wäre besser, wenn ich dir erst erzähle, was mich hergebracht
hat, bis wir sicher vor Unterbrechungen sind. Ich habe dir auch so viel anderes
zu erzählen. Oh, Damerel, ich habe Ihren Vetter gesehen! Er war bei einer
Abendgesellschaft, ich hörte seinen Namen fallen und habe mich fast unmöglich
gemacht, weil ich so lachte! Er ist ein geradezu prächtig komischer Mensch!»
Er lächelte, aber mühsam. «Ein
prächtig komischer Mensch? Guter Gott, was fällt Ihnen nur ein! Er gehört doch
zu den Spitzen der Gesellschaft – Alfred! Sie sollten ihn erst sehen, wenn er
auf den Bummel geht! Wer ist jetzt in London? Noch nicht viele Leute, fürchte
ich, aber ich hoffe, Sie haben wenigstens einige angenehme Bekanntschaften
gemacht?»
Sie antwortete bereitwillig und
plauderte leicht und heiter dahin, während sie ihr Abendbrot aß. Damerel sagte
nicht sehr viel, sondern saß nur da und
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