Georgette Heyer
daß sie hinüberfahren würde, um den armen
Master Aubrey zu besuchen, verfiel aber in
würdevolles Schmollen, als Venetia sich weigerte, einen umfangreichen Eßkorb
mitzunehmen, der so randvoll gepackt war, daß es für ein Bankett ausgereicht
hätte. Als Mrs. Gurnard neckend gefragt wurde, ob sie annehme, daß Aubrey auf
einer einsamen Insel lebe, antwortete sie, es gebe viele Leute, die meinten, es
wäre besser für ihn, auf einer einsamen Insel zu leben, als den Härten der
Kocherei Mrs. Imbers ausgeliefert zu sein. Abgesehen davon, daß Mrs. Imber
unfähig, kleinlich und ungeschickt war, sagte Mrs. Gurnard, war sie eine Frau,
der sie einfach nicht trauen konnte. «Ich habe die Hühnchen nicht vergessen,
Miss, falls das vielleicht Sie haben, und werde das auch nie, und wenn ich
hundert Jahre alt werde!»
«Hühnchen?» fragte Venetia
verblüfft.
«Na, die Hähnchen!» brachte Mrs.
Gurnard mit flammenden Augen heraus. «Jedes einzelne ein Hähnchen, Miss!»
Aber da Venetia keinen Zusammenhang
zwischen Hähnchen und Mrs. Imbers Kocherei entdecken konnte, blieb sie hart und
ging, um die verschiedenen Gegenstände, die Nurse in der Aufregung des
Augenblicks einzupacken vergessen hatte, zusammenzusuchen. Dazu gehörte das
Hemd, das sie gerade für Aubrey nähte, und ihre Schiffchenarbeit, beides in
ihrem Nähkorb zu finden, zusammen mit Nadeln, Faden, Schere, ihrem silbernen
Fingerhut und einem Stück Wachs. Venetia sollte alle diese Dinge säuberlich in
eine Serviette packen und ja keines vergessen; aber da Venetia wußte, ihr
würde bestimmt gesagt werden, sie hätte den falschen Faden und gerade jene
Schere mitgebracht, die Nurse nicht brauchte, zog sie es vor, den ganzen Korb
trotz seines schauerlichen Umfanges zur Priory mitzunehmen.
Die Aufträge Aubreys zu erfüllen war
eine noch schwierigere Aufgabe, denn er brauchte nicht nur so einfache Sachen
wie einen Vorrat an Papier und mehrere Bleistifte, sondern auch eine Anzahl
Bücher. Er hatte ihr gesagt, daß sie seinen Phaidon auf dem Schreibtisch
in der Bibliothek finden würde, und dort fand sie ihn auch; aber Guy
Mannering war erst nach einer erschöpfenden Suche zu finden, da ein
eifriges Stubenmädchen, für das der Anblick eines Buches, das offen auf einem
Sessel lag, eine Beleidigung bedeutete, es umgekehrt in ein Bücherbrett
gestopft hatte, das Lehrbüchern und Lexika vorbehalten war. Virgil bot kein
Problem – Aubrey hatte bestimmt um die Aeneide gebeten; aber Horaz bot
liebenswürdig gleich eine Wahl zwischen mehreren Bänden, und Venetia konnte
sich einfach nicht erinnern, ob Aubrey die Oden, die Satiren oder sogar die
Episteln haben wollte. Schließlich fügte sie ihrer Sammlung alle drei bei, und
Ribble trug den Stoß zu dem wartenden Til bury, wo Fingle, ein älterer
Stallbursche, sie von ihm mit der heiteren Prophezeiung übernahm, als nächstes
würde man erfahren, daß sich Master Aubrey in eine Gehirnhautentzündung
hineinstudiert hätte.
Mit dem Gefühl, daß sie sich ihrer
Pflichten in einer Art entledigt hatte, die der Schwester eines Gelehrten
würdig war, fuhr Venetia zur
Priory, wo jegliche Hoffnung auf Loblieder schnell vernichtet wurde. «Oh, du hättest sie
doch nicht bringen müssen!» sagte Aubrey. «Damerel hat eine großartige
Bibliothek – eine erstklassige Sache, so groß, daß sogar
ein Katalog dazu da ist! Er hat ihn gestern abend für mich
herausgesucht und brachte mir die Bücher herauf, die ich besonders dringend
haben wollte. Ich habe ihn gewarnt,
als ich sah, was für eine prächtige Sammlung das ist, es würde ihm schwerfallen, mich
loszuwerden, aber er sagt, ich darf mir immer alle Bücher ausborgen, die ich
will. Oh, ist das Er, Fingle? Guten Morgen – hat Er sich
Rufus angeschaut? Lord Damerels Stallbursche hat ihn in Pflege, aber bestimmt
will Er sich die Vorhand selbst anschauen. Nein, lege Er diese Bücher nicht
erst hin – ich bin draufgekommen, daß ich sie doch nicht brauche!»
«Gräßlicher, aber schon ganz
gräßlicher Junge!» sagte Venetia, beugte sich über ihn und küßte ihn flüchtig
auf die Stirn. «Nachdem ich eine halbe Stunde gebraucht
habe, um den Guy Mannering zu finden, und ich dir deinen ganzen Horaz
gebracht habe, weil ich mich nicht erinnern konnte, welchen Band du haben
wolltest!»
«Dummes!» sagte er und lächelte zu
ihr auf. «Ich werde den Guy Mannering dabehalten, falls ich etwas in der
Nacht lesen will.»
Sie zog das Buch aus dem Stoß, den
Fingle immer noch hielt, nickte ihm
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