Georgette Heyer
einer
atemlosen, übermütigen Stimme: «Ein Kind bin ich, was? Ich werd's dir zeigen!»
«Oswald, hör sofort auf! Wie wagst
du nur – oh, Gott sei Dank!»
Wenn sich Oswald wunderte, was ihr
diesen unerwarteten Ausruf entlockt hatte, oder warum sie plötzlich aufhörte,
sich zu wehren, so wurde er nur sehr wenige Sekunden in Zweifel gelassen. Eine
Hand fuhr ihm derb in den Kragen und schloß sich wie ein Schraubstock um das
Halsband, daß er fast erstickte, die zweite packte den Boden seiner Reithose;
er wurde von Venetia weggerissen, mit einem Ruck herumgedreht, unwiderstehlich
zum Eingang gedrängt und ins Freie geworfen, wo er auf allen vieren landete.
9
Nachdem Damerel Oswald in dieser handfesten
Art abgetan hatte, wandte er sich mit einem neckenden Blick an Venetia: «Was,
zum Kuckuck, haben Sie angestellt, daß der Junge in eine derartige Raserei
geraten ist?» erkundigte er sich.
«Sie haben
gut fragen!» antwortete sie, sehr erzürnt und beträchtlich zerzaust. «Ich habe
versucht, ihn von einer dummen, eingebildeten Neigung zu mir zu heilen!»
«Oh, das war es, ja?» sagte er
amüsiert. Er schaute zu Oswald hinüber, der sich eben aufrappelte. «Na, aber
jetzt wäre es wohl am besten, Sie hielten sich etwas
fern, schönes Verhängnis, denn wenn mich meine Erfahrung nicht trügt, ist Ihr
hitziger Schäfer gerade drauf und dran, einen feurigen Versuch zu machen, mich
niederzuschlagen.»
«O nein, das wird er nicht!»
erklärte Venetia, und ihre Augen leuchteten kriegerisch. «Sie können das mir
überlassen, Damerel! Ja, ich befehle es Ihnen sogar!»
Sie fegte an ihm vorbei, gerade als
Oswald, der die Nachwirkung der halben Strangulation überwunden hatte, mit
geballten Fäusten auf
Damerel losgehen wollte. Da ihm plötzlich Venetia im Wege stand, mußte er sich
zurückhalten. Bevor er sie noch beiseite stoßen konnte, was er in seiner
blinden Wut durchaus vorhatte, hatte sie schon Worte
gesprochen, die wie eine kalte Dusche auf ihn niederprasselten. «Willst du
jetzt vielleicht auch noch zu meiner Unterhaltung eine ordinäre Rauferei
veranstalten? Ich warne dich, Oswald, wenn ich noch mehr
deiner Ungezogenheiten zu ertragen habe, dann werde ich deinem Papa erzählen,
was soeben geschehen ist, und mit welch völligem Mangel an guter Erziehung oder
Anstand du dich aufgeführt hast! Es widerstrebt mir zwar sehr, ihn derart zu
kränken oder deine Mama zu betrüben; wenn du also wünschst, deine Derbheit
gutzumachen, dann zwinge mich nicht, es dennoch zu tun!»
Blutrot stammelte er: «Es tut mir
leid – es war nicht – ich habe es nicht so gemeint, daß ...»
«Sehr schön, mehr brauchst du nicht
zu sagen», unterbrach sie ihn. «Weder ich noch Lord Damerel werden zu jemandem
darüber sprechen, worauf du dich verlassen kannst. Jetzt aber geh lieber heim.»
Zu seiner Ehre sei es gesagt, daß es
ihm, wenn er auch an der Anstrengung fast erstickte, gelang, die verschiedenen
vernichtenden Antworten, die ihm auf der Zunge lagen, zu schlucken und sogar
eine steife Verbeugung zustande zu bringen. «Ich bitte sehr – ich bitte sehr,
meine untertänigste Entschuldigung entgegenzunehmen, und, glauben Sie mir, daß
ich Sie nicht wieder belästigen werde, Ma'am!» sagte er. Dann wandte er seinen
glühenden Blick Damerel zu und fiel leicht aus seiner Großartigkeit. «Und was
Sie betrifft», sagte er wild, «werde ich ...» Er hielt den Atem an und endete
dann mit lähmender Formalität: «Eure Lordschaft werden von mir hören!»
Darauf führte er eine zweite
Verbeugung aus und schritt von dannen.
« < Ach, armer Yorick!» bemerkte
Damerel. «Das trifft mich hart.»
«Ja, mich auch», stimmte ihm Venetia
mit einer Kummerfalte zwischen den Brauen zu. «Ich habe unwillkürlich das
Gefühl, daß ich schuld daran bin, weil ich ihm keine schwere Abfuhr erteilt habe,
gleich als er anfing, hinter mir herzulaufen. Wenn ich die leiseste Ahnung
gehabt hätte, daß es bei ihm mehr als der Anfall einer ersten Jugendliebe sei,
der sich bald legen würde, dann hätte ich es natürlich getan.»
«Es ist auch nichts anderes. Falls
ich mich nicht sehr irre, bin ich es, der für den heutigen Ausbruch
verantwortlich ist, nicht Sie. Der dumme junge Gockel hätte mich vom ersten
Moment an, als er mich erblickte, am liebsten ermordet.»
Sie wandte ihm ihre Augen zu. «Ja,
das stimmt. O Gott, ich hoffe nur, daß er keine Dummheit anstellt!»
Er lächelte. «Das Gebet ist
vergeblich, aber es ist nicht sein eigenes Leben, das er
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