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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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Challoner sah, wie seine Deckung wankte, und wußte im
selben Augenblick, daß er am Ende seiner Kräfte war. Der Marquis nützte seinen
Vorteil unbarmherzig aus, und Miss Challoner packte, ohne noch einen Gedanken
an den frommen Wunsch, den sie soeben geäußert hatte, zu verschwenden, einen
der achtlos hingeworfenen Mäntel und warf sich zwischen die beiden Gegner,
wobei sie versuchte, die Klingen in dem schweren Tuch abzufangen. Sie stürzte
mitten in einen Ausfall des Marquis; Mr. Comyns Degen verfing sich im Mantel,
aber Seine Lordschaft konnte die Wucht seines Stoßes nicht mehr aufhalten. Juliana,
die zaghaft zwischen ihren Fingern hervorspähte, kreischte warnend auf, aber da
zuckte Vidals Klinge auch schon zu ihrem Entsetzen an Miss Challoners Arm
empor, bohrte sich durch das Kleid in ihre Schulter und wurde mit einem Ruck
wieder zurückgezogen.
    Mylord
schleuderte den Degen von sich und fing Miss Challoner in seinen Armen auf. Er
war totenbleich. «Mary!» rief er heiser. «Mary! Mein Gott, was habe ich getan?»
    «Mörder!
Sie haben sie getötet!» sagte Mr. Comyn atemlos und trat auf ihn zu, als wollte
er ihm Miss Challoner entreißen.
    Der Marquis
stieß ihn beiseite. «Bleiben Sie ihr vom Leib!» fauchte er. «Mary, schau mich
an! Mary, mein kleiner Liebling, mein einziger Schatz, ich hab' dich nicht
getötet!»
    Miss
Challoner, die mehr vor Schreck als wegen ihrer tatsächlichen Verwundung halb
ohnmächtig war, öffnete die Augen und brachte ein mattes Lächeln zustande. «Es
ist nichts», flüsterte sie. «Nur – ein – ganz kleiner Kratzer. Oh, wie haben
Sie mich genannt?»
    Der Marquis
hob sie hoch und trug sie zu dem Lehnstuhl, von dem Juliana soeben
aufgesprungen war. Er ließ sie behutsam hineingleiten und sah den roten Fleck,
der sich neben dem Kragen ihres Kleides ausbreitete. «Holen Sie die Flasche
aus meinem Mantel», befahl er Mr. Comyn über die Schulter.
    «Oh, ihr
Kleid ist ganz blutig!» schrie Juliana. «Mary, bist du schwer verletzt?»
    Ohne auch
nur eine Sekunde zu zögern, riß der Marquis Marys graues Kleid auf und legte
die verwundete Schulter bloß. Es war wirklich nur ein leichter Schnitt,
eigentlich mehr ein langer, von der Degenspitze verursachter Kratzer, aber er
blutete ein bißchen. Mary versuchte ihr Kleid darüberzuziehen und wiederholte,
es sei nicht der Rede wert, wurde aber durch ein scharfes «Sei nicht albern,
Mädchen!» zurechtgewiesen und konnte bei dieser für Seine Lordschaft so
typischen Äußerung ein Lächeln nicht unterdrücken.
    «Nein, es
ist nur eine Schramme», sagte Vidal mit einem erleichterten Seufzer. Er zog
sein Taschentuch hervor und verband geschickt die Wunde. «Du kleine Närrin!»
schalt er. «Fällt dir nichts Besseres ein, als dich mir nichts, dir nichts in
ein Gefecht zu werfen? Du hast unglaubliches Glück gehabt!»
    «Ja, ich
dachte schon, jetzt wäre alles aus», sagte Miss Challoner mit ziemlich
unsicherer Stimme. Sie hob die Hand an die Stirn. «Ich bin nur ein bißchen
schwindlig, aber das geht gleich vorbei.»
    Mr. Comyn,
der nun ein sehr nachdenkliches Gesicht machte, trat mit der Brandyflasche
neben Mylord. Vidal öffnete sie, legte einen Arm um Mary und hielt sie mit der
anderen Hand an ihre Lippen. «Komm, trink das!» sagte er.
    Mary
versuchte, die Flasche wegzuschieben. «O nein, bitte! Mir ekelt so davor! Es
geht mir schon besser – wirklich!»
    «Tu, was
ich dir sage!» befahl Seine Lordschaft schroff. «Du kennst mich gut genug. Entweder
freiwillig oder ...»
    «Aber, Sir,
wenn sie nicht will ...» mischte sich Mr. Comyn empört ein.
    «Geh zum
Teufel!» antwortete Seine Lordschaft.
    Miss
Challoner nippte folgsam an ihrem Brandy, und als sie zu Vidal aufschaute,
lächelte er sie so zärtlich an, daß sie fast glaubte zu träumen. «Braves
Mädchen», lobte er sie und drückte einen leichten Kuß auf ihr Haar.
    Dann wurde
ihm wieder Mr. Comyns Anwesenheit bewußt, und seine Miene verfinsterte sich.
Er gab Miss Challoner frei und stand auf. «Meinetwegen können Sie sie
geheiratet haben», sagte er wütend, «aber sie gehört mir, verstehen Sie mich?
Sie hat immer mir gehört! Sie elender –!
Glauben Sie, daß ich sie Ihnen so einfach überlasse? Sie kann hundertmal Ihre
Frau sein, aber bei Gott, bekommen werden Sie sie nie!»
    Mr. Comyn
hatte sich inzwischen wieder in der Gewalt und war offenbar nicht geneigt,
nochmals die Beherrschung zu verlieren. «Was das betrifft, Sir, glaube ich,
wäre nun ein Wort unter vier Augen

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