Georgette Heyer
werden immer schlimmer, wenn
eine Dame nicht einmal mehr in ihrem eigenen Heim vor Belästigungen sicher ist!
Sie sollten froh sein, daß ich bei Ihnen arbeiten lasse, ganz zu schweigen von
der Unmenge Leute, denen ich Sie empfohlen habe – ich kann mich zwar beim
besten Willen nicht an Ihren Namen erinnern, aber vermutlich sind Sie Cerisette
oder Mirabelle. Auf jeden Fall habe ich keinen roten Heller, es war also ganz
umsonst, daß Sie gewaltsam in mein Haus eingedrungen sind. Was stehen Sie da
und glotzen mich an?»
Mrs.
Challoner kam es einen Augenblick so vor, als wäre sie aus Versehen in ein
Irrenhaus geraten, und statt ihrer schönen Ansprache konnte sie nur stottern:
«Ich will kein Geld, Madam! Sie verwechseln mich!»
«Ja, wenn
Sie kein Geld wollen, was um alles in der Welt führt Sie dann her?» fragte Lady
Fanny, indem sie ihre blauen Augen weit aufriß.
Sie hatte
ihrer ungebetenen Besucherin keinen Stuhl angeboten, und aus einem
unerklärlichen Grund scheute sich Mrs. Challoner, ohne Erlaubnis Platz zu
nehmen, denn es war für sie eine gewaltige Überraschung, in Lady Fanny eine so
autoritäre Persönlichkeit anzutreffen, und autoritär war ihr Gegenüber ohne
Zweifel, trotz seiner keineswegs imposanten Körpergröße, der für einen normalen
Durchschnitt etliche Zentimeter fehlten. Ihre gebieterische Art zu sprechen und
der Flair der großen Dame taten ein übriges, um Mrs. Challoner restlos aus dem
Gleichgewicht zu bringen, und so klang es etwas lahm, als sie sagte: «Ich bin
zu Ihnen gekommen, Madam, weil ich erfahren möchte, wo ich den Herzog von Avon
finden kann.»
Lady
Fannys Kinn fiel herab. Sie
starrte Mrs. Challoner mit einer Mischung aus Erstaunen und Entrüstung an,
dann wiederholte sie ungläubig: «Den Herzog von Avon?»
«Ebendenselben»,
bestätigte Mrs. Challoner. «Es ist eine Angelegenheit, die seine Ehre
betrifft, müssen Sie wissen, und ich muß ihn so rasch wie möglich sehen.»
«Lieber
Gott!» sagte Lady Fanny schwach, doch dann blitzten ihre Augen ärgerlich auf.
«Und da wagen Sie es, sich an mich zu wenden? Das ist doch tatsächlich die
Höhe! Ich werde Ihnen ganz gewiß nicht verraten, wo er sich aufhält, und ich
wundere mich, wie Sie das von mir erwarten konnten.»
Mrs.
Challoner umklammerte haltesuchend ihr Retikül und sagte entschlossen: «Ich muß
aber unbedingt den Herzog oder Ihre Gnaden, die Herzogin, sprechen, und nichts
wird mich davon abhalten.»
Lady Fanny
schwoll drohend der Busen. «Niemals werden Sie Ihren widerlichen Klatsch der
Herzogin zutragen, das verspreche ich Ihnen. Wahrscheinlich ist es ohnehin nur
ein Haufen Lügen, aber ich werde unter keinen Umständen zulassen, daß Sie
meine Schwägerin damit kränken.»
«Und ich
versichere Ihnen, Madam, wenn Sie zu verhindern suchen, daß ich den Herzog
sehe, wird es Ihnen entsetzlich leid tun. Mylady brauchen nicht zu glauben, daß
ich so einfach den Mund halten werde. Ich warne Sie, wenn ich die Adresse
Seiner Gnaden von Ihnen nicht erfahre, sorge ich für einen öffentlichen
Skandal!»
Lady Fanny
verzog geringschätzig die Lippen. «Aber bitte, lassen Sie sich nicht aufhalten,
meine Liebe. Ehrlich gesagt, ich finde Sie lächerlich. Selbst wenn Seine
Gnaden zehn Jahre jünger wäre, würde ich einen solchen Unsinn nie im Leben
glauben.»
Mrs.
Challoner hatte mehr denn je das Gefühl, sich doch in einem Irrenhaus zu
befinden. «Was hat das Alter Seiner Gnaden damit zu tun?» fragte sie
fassungslos.
«Nun, es
dürfte eine ausschlaggebende Rolle spielen, nehme ich an», erwiderte Lady Fanny
trocken.
«Aber nicht
die geringste!» sagte Mrs. Challoner, deren Blut allmählich in Wallung geriet.
«Ich merke schon, Sie wollen mich abwimmeln, aber ich appelliere an Sie als
Mutter. Jawohl, denn als Mutter einer Tochter stehe ich heute vor Ihnen!»
«Oh, ich kann es nicht glauben!» rief Fanny. «Wo sind meine Lavendeltropfen? Meine arme,
arme Léonie! Behaupten Sie meinetwegen, was Sie wollen – ich glaube Ihnen kein
Wort! Und wenn Sie die Absicht haben, Ihren ekelhaften Balg Avon zu
unterschieben, machen Sie einen großen Fehler! Sie hätten früher daran denken
müssen, denn jetzt muß das Mädchen doch mindestens fünfzehn Jahre alt sein.»
Mrs.
Challoner blinzelte sie verblüfft an. «Fünfzehn, Madam? Sie ist zwanzig! Und
was meine Absicht betrifft, sie dem Herzog zu unterschieben, kann ich nur
sagen, wenn er einen Funken Anstand im Leib hat, findet er sich damit ab –
obwohl das bei Gott nicht
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