Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
Vom Netzwerk:
raubte
ihr in dieser Nacht sogar den Schlaf. Als der Morgen kam, ohne eine Nachricht
von Mary zu bringen,
legten sich ihre mütterlichen Befürchtungen; sie befahl Sophia scharf, endlich
das Weinen zu lassen, und machte sich daran, sich für einen Besuch bei Seiner
Gnaden, dem Herzog von Avon, in Staat zu werfen. Sie wählte ein Kleid aus
steifem, pflaumenblauem Armasin mit einem der neuen Kragen, wie sie gerade von
Deutschland her in Mode kamen, und dazu eine Caravan-Haube mit einer Blende aus
weißem Sarsenett, die man je nach Wunsch hochschlagen oder herunterklappen
konnte. So geputzt begab sie sich kurz vor Mittag auf den Weg zum Palais der
Avons. Dort angekommen, öffnete ihr ein livrierter Pförtner die Tür, und sie
erklärte ihm hochmütig, Seine Gnaden, den Herzog, sprechen zu wollen.
    Der
Pförtner teilte ihr mit, Seine Gnaden sei nicht anwesend, und machte, da er
sich seine eigene Meinung über Mrs. Challoners gesellschaftlichen Rang
gebildet hatte, Anstalten, die Tür zu schließen, was jedoch daran scheiterte,
daß die resolute Dame den Fuß dazwischensetzte. «Dann haben Sie die Güte, mich
zur Herzogin zu führen», sagte sie.
    «Ihre
Gnaden ist auch nicht in der Stadt», antwortete der Pförtner. Mrs. Challoners
Gesicht wurde lang vor Enttäuschung. «Wann wird sie zurückerwartet?» fragte
sie.
    Der
Livrierte rümpfte die Nase. «Es ist nicht meines Amtes, mich um die
Angelegenheiten Ihrer Gnaden zu kümmern», sagte er hochtrabend.
    Mrs.
Challoner widerstand der Versuchung, ihm eine Maulschelle zu geben, und fragte
als nächstes, wo man den Herzog und die Herzogin finden könne. Er habe keine
Ahnung, meinte der Pförtner, und ergänzte höflich: «Wenn Sie nun vielleicht so
freundlich wären, Ihren Fuß hier wegzunehmen, damit ich die Tür schließen
kann.»
    Doch erst
das Erscheinen einer offenbar sehr hochgestellten Persönlichkeit, die dem
Pförtner zu Hilfe kam, bewirkte, daß Mrs. Challoner sich endlich herbeiließ,
die Schwelle freizugeben. Der Hochgestellte erkundigte sich nach Mrs.
Challoners Anliegen, und als sie erwiderte, das gehe ausschließlich den Herzog
und die Herzogin etwas an, zuckte er in ausgesprochen beleidigender Weise die
Schultern und meinte, er bedaure, aber das hohe Paar sei nicht in London.
    «Dann will
ich wissen, wo ich die beiden finden kann», sagte Mrs. Challoner
angriffslustig.
    Der
Hochgestellte musterte sie mit einem gleichgültig kühlen Blick und sagte dann
verbindlich: «Die Verwandten Ihrer Gnaden, Madam, sind über den Aufenthalt
Ihrer Gnaden zweifellos im Bilde.»
    Daraufhin
machte Mrs. Challoner so heftig kehrt, daß ihre weiten Röcke schwangen, und
begab sich auf den Heimweg. Als sie in äußerst düsterer Laune ihren Salon
betrat, saß dort Eliza Matcham neben ihrer Tochter, und man konnte Elizas Miene
unschwer entnehmen, daß Sophia ihr das Herz ausgeschüttet hatte.
    Eliza stieß
bei Mrs. Challoners Erscheinen ein aufgeregtes Kichern aus und rief: «Ach,
Madam, in meinem ganzen Leben war ich noch nie so schockiert! Wenn man sich
vorstellt, wie sie uns alle an der Nase herumgeführt hat! Dabei hätte ich
schwören können, daß er es auf Sophia abgesehen hatte, meinen Sie nicht?»
    «Natürlich
wollte er mich! Mich ganz allein!» schluchzte die bedauernswerte Sophia. «Ich
hoffe nur, daß er Mary vor lauter Wut erwürgt! Ja, ich bin fast sicher, daß er
sie inzwischen umgebracht hat, denn er kann schrecklich jähzornig sein. Und das
würde ihr nur recht geschehen, dieser gemeinen, intriganten Ziege!»
    Da Mrs.
Challoners Wortkargheit darauf schließen ließ, daß sie sich nicht in der
Stimmung für Gesellschaft befand, zog es Miss Matcham vor, sich bald zu
verabschieden, um mit den tollen Neuigkeiten, die ihr bereits auf der Zunge
brannten, zu enteilen. Sobald sie verschwunden war, machte Mrs. Challoner ihrer
Tochter heftige Vorwürfe. «Warum hast du bloß nicht den Mund gehalten!» sagte
sie erbost. «Heute abend weiß es bestimmt die ganze Stadt. Wie konntest du dich
nur unterstehen, Eliza einzuweihen!»
    «Und
wennschon!» erwiderte Sophia boshaft. «Die Leute sollen nicht denken, daß er
ihr den Vorzug gegeben hat, denn das stimmt nicht! Sie ist ein schamloses
Biest, und das werde ich auch jedem sagen.»
    «So? Das
wäre eine große Dummheit», belehrte ihre Mutter sie. «Was bildest du dir ein,
wer wohl eine solche Geschichte glauben würde? Man würde dich nur um so mehr
auslachen und sagen, du bist eifersüchtig.»
    Sie
erzählte Sophia nichts

Weitere Kostenlose Bücher