Georgette Heyer
junge Mädchen hat nun einmal romantische Flausen, wie Eure Gnaden
zweifellos wissen. Seine Lordschaft hat der Kleinen regelrecht den Kopf
verdreht, Mary jedoch faßte den Entschluß, ihm seine Pläne zu vereiteln. Sie
hat ihre arme Schwester um den Preis der eigenen Ehre gerettet, Madam!»
Léonie
sagte nachdenklich: «Ich finde es seltsam, daß diese angeblich so edelmütige
Mary Sie nicht über die Absichten von Mademoiselle hier informiert hat. Wo Sie
Ihre Töchter so streng erzogen haben, Madame, hätten Sie die Sache doch viel
leichter in Ordnung bringen können, nicht wahr?»
«Natürlich,
und ich kann mir selbst nicht erklären, warum sie das für sich behielt, aber
sie ist ein so verschlossenes Ding und bildet sich seit jeher ein, gescheiter
zu sein als ihre Mutter.»
Léonie
erhob sich. Sie lächelte, doch ihre dunkelblauen Augen blitzten vor Zorn. «Sie
können es sich nicht erklären? Nun, dann will ich Ihnen behilflich sein. Für
mich ist es völlig klar, daß Mademoiselle Mary dachte, sie könnte statt ihrer
Schwester Madame la Marquise werden. Aber das wird sich erst noch entscheiden.
Sie haben meiner Schwägerin gedroht, Sie würden einen großen Skandal machen. Vous
pouvez vous éviter de la peine, madame, denn ich bin diejenige, die das tun
wird. Ich wünsche nicht, daß mein Sohn eine liaison mit Ihrer Tochter
hat, denn die junge Dame erscheint mir absolut nicht comme il faut. Ich
fahre sofort nach Paris und bringe diese schlaue Mary auf schnellstem Wege zu
Ihnen zurück. Und wenn Sie so dumm sind, überall herumzuposaunen, mein Sohn,
der Marquis, hätte Ihre Tochter entführt, werden Sie sich noch lächerlicher
machen, als Sie es ohnehin schon tun, wenn man sieht, daß ich mich in
Begleitung von M. le Marquis befinde. Und wenn ich sage, daß ich die ganze Zeit
über bei ihm war, werden die Leute mir mehr Glauben schenken als einer Madame
Challoner. Que pensez-vous, madame?»
Mrs.
Challoner fuhr wie von einer Tarantel gestochen von ihrem Stuhl auf und sagte
sehr laut: «Aha, so soll also der Hase laufen? Und bilden Sie sich ein, mein
armes, betrogenes Mädchen wird diese saubere Geschichte einfach stillschweigend
hinnehmen? O nein! Aller Welt wird sie erzählen, was für ein Unrecht ihr
zugefügt wurde, dafür werde ich schon sorgen, und Sie können Gift darauf
nehmen, daß sie nicht ungehört bleibt!»
Léonie
lachte spöttisch. «Vraiment? Es ist eine so haarsträubende Geschichte,
daß die Leute sicher sagen 'quel tas de bêtises!' und Ihnen kein
Wort glauben. Und ich, ich werde nur erklären, daß diese Mary sich meinem Sohn
an den Hals geworfen hat, und an meiner Behauptung, Madame, wird sicher
niemand zweifeln.» Sie machte die Andeutung eines Knickses und rauschte, ohne
Sophia zu beachten, die sie mit offenem Mund anstarrte, bei der Tür hinaus,
bevor Mrs. Challoner die Sprache wiederfand.
Jetzt erst
erwachte Sophia aus ihrer Starrheit und schrie aufspringend: «Da hast du's,
Mama! Du und deine großen Pläne! Mein Gott, ich könnte sterben vor Lachen!»
Mrs.
Challoner gab ihr prompt eine Ohrfeige, und während Sophia unverzüglich in
Tränen ausbrach, ging sie zum Fenster, um zu beobachten, wie ein livrierter
Diener der Herzogin beim Einsteigen in die Kutsche behilflich war. «Keine
Angst, Sophy», preßte sie mit wuterstickter Stimme zwischen den Zähnen hervor,
«ich bin noch nicht fertig! Wir werden sehen, wer zuletzt lacht, Euer Gnaden!»
Sie drehte sich mit einem energischen Ruck um. «Ich verreise für einige Zeit.
Bis zu meiner Rückkehr wohnst du bei Onkel Henry, und wehe, wenn mir eine Klage
zu Ohren kommt!»
In dem
weißen Haus in der Curzon Street wartete Lady Fanny ungeduldig auf ihre
Schwägerin. Als Ihre Gnaden endlich das Boudoir betrat, stürzte sie ihr
förmlich entgegen und überschüttete sie mit Fragen. Léonie knüpfte die Bänder
ihres äußerst kleidsamen Hutes auf und warf ihn achtlos auf den Tisch. «Pah,
quelle vielle guenon!» sagte sie. «Ich habe ihr ein bißchen anxiété eingejagt,
und das eine versichere ich dir, Fanny, ich werde nicht dulden, daß Dominique
sich an die Tochter von so einer bindet. Ich fahre sofort nach Frankreich, um
die Angelegenheit zu regeln.»
Lady Fanny
betrachtete sie mit einem verschmitzten Blick. «Sieh mal an, meine Liebe, wie
wütend du bist! Du solltest lieber warten, bis du dich ein wenig beruhigt
hast.»
«Ich bin
überhaupt nicht wütend», sagte Léonie mit großem Nachdruck. «Ich bin sogar von
einer ganz
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