Georgette Heyer
Klumpen in ihrer Kehle hinderte sie
daran, auch nur ein Wort hervorzubringen.
«O bitte
sehr, Madam, wenn Sie die Aufmerksamkeiten von Frederick Comyn vorziehen!»
sagte der Marquis eisig. «Und nun hören Sie, was ich Ihnen mitzuteilen habe.
Ich weiß von Carruthers aus dem Stab des Botschafters, daß kürzlich ein
Geistlicher in Paris Station machte, der irgendeinen adeligen Sprößling
begleitet. Sie befinden sich auf der Reise nach Italien und halten sich zur
Zeit in Dijon auf, wo sie allem Anschein nach zwei Wochen bleiben wollen. Er
ist genau der richtige Mann für uns. Ich werde Sie also zum zweiten- und
letztenmal entführen, Miss Challoner.» Als sie schwieg, blickte er sie
forschend an. «Na? Haben Sie gar nichts dazu zu sagen?»
«Ich habe
Ihnen schon oft genug gesagt, wie ich darüber denke, Mylord.»
Er machte
eine ungeduldige Geste. «Ach, finden Sie sich endlich mit mir ab, Madam. Sie
mögen zwar eine heftige Abneigung gegen mich empfinden, und das nicht ohne
Grund, wie ich gern zugeben will, aber falls es Sie interessiert, darf ich Sie
darauf hinweisen, daß ich Ihnen etwas biete, was ich vor Ihnen noch keiner
Frau geboten habe.»
«Ja, aber
nur, weil Sie sich dazu verpflichtet fühlen», sagte Mary leise. «Vielen Dank
auch – aber ich muß Ihr Anerbieten trotzdem ablehnen.»
«Nichtsdestoweniger
fahren Sie morgen mit mir nach Dijon, Madam.»
Sie schaute
ruhig zu ihm auf. «Sie können mich nicht zwingen, dieses Haus zu verlassen,
Mylord.»
«So?»
fragte er. Seine Lippen kräuselten sich spöttisch. «Das werden wir ja sehen.
Und versuchen Sie nicht, mir zu entkommen. Ich würde nicht einmal einen Tag
brauchen, um Sie zu finden, und wenn Sie mir Schwierigkeiten machen, könnten
Sie eine unangenehme Überraschung erleben.» Er ging zur Tür. «Ich habe die
Ehre, Ihnen eine gute Nacht zu wünschen», sagte er schroff und schritt hinaus.
13
Mittlerweile hätte die unbekümmerte
Fröhlichkeit, die Miss Marling an diesem Abend zur Schau trug, jedem, der sie
kannte, eine innere Unruhe verraten, denn obwohl sie strahlender Laune zu sein
schien, glitt ihr Blick immer wieder nervös über die elegante Gesellschaft, so
als suche sie jemand Bestimmten.
Paris war
Miss Marling zu Kopf gestiegen, und die Avancen eines so bekannten Connaisseurs
wie des Vicomte de Valmé mußten ihr zwangsläufig schmeicheln. Der Vicomte
beteuerte immer wieder, er lege ihr sein Herz zu Füßen, und wenn sie ihm das
auch nicht ganz glaubte, so hatte seine unverhohlene Bewunderung doch zur
Folge, daß sie der von Mr. Comyn geübten Kritik ein sehr ungnädiges Ohr lieh.
Als dieser das erste Mal völlig überraschend im Haus ihrer Cousine erschien,
war sie Hals über Kopf in seine Arme gestürzt, aber diesem anfänglichen aufrichtigen
Entzücken wurde bald ein Dämpfer aufgesetzt. Er hörte sich schweigend die
ausführliche Schilderung ihrer Vergnügen und der damit verbundenen
gesellschaftlichen Triumphe an und sagte, als sie fertig war, mit ernster
Miene, er freue sich zwar, daß sie sich so gut unterhalten habe, könne aber
nicht umhin, sich zu wundern, daß sie ohne ihn so über alle Maßen heiter und
glücklich gewesen sei.
Juliana
hatte darauf, teils weil Koketterie gerade große Mode war, teils auch aus
schlechtem Gewissen, in einer schelmisch herausfordernden Weise geantwortet,
die Mr. Comyn nicht im geringsten gefiel. Bertrand de Saint-Vire wäre um eine
entsprechende Entgegnung nicht verlegen gewesen, der in der Kunst des Flirts
jedoch völlig unerfahrene Mr. Comyn trat ins Fettnäpfchen und sagte, Paris
hätte seine Juliana bei Gott nicht zu ihrem Vorteil verändert. Daraus entspann
sich ein Streit, der allerdings nicht lange dauerte. Aber es war ein schlechter
Anfang.
Miss
Marling machte Mr. Comyn mit ihren neuen Freunden bekannt, darunter auch mit
dem Vicomte de Valmé, über den sich Mr. Comyn nachher mit beklagenswertem
Mangel an Takt abfällig äußerte, weil er ihn einfach unerträglich fand. Um die
Wahrheit zu sagen, reizte es den von Natur aus boshaften Vicomte, dem Mr.
Comyns ältere Rechte selbstverständlich nicht entgangen waren, mit Juliana vor
der Nase ihres schwerfälligen Auserwählten heftigst zu flirten, ein
Unterfangen, das dieser mit offenkundiger Mißbilligung verfolgte, und Juliana
wie derum konnte es sich nicht verkneifen, den Vicomte zu ermutigen, weil sie
im – wie ihr es schien – ach so kalten Herzen ihres Liebsten die Glut der
Eifersucht entfachen wollte. Im Grunde sehnte sie sich
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