Georgette Heyer
einem
flüchtigen Nicken begrüßte, «ich hatte schon gar nicht mehr mit Ihnen
gerechnet, Sir!»
«In der
Tat?» erwiderte Mr. Comyn mit eisiger Höflichkeit. «Dürfte ich Sie wohl fünf
Minuten allein sprechen, Madam?»
Juliana
zuckte unwillig die Schultern, ließ sich aber doch herbei, den Vicomte zu
verabschieden. Dann wandte sie sich mit herausfordernder Miene Mr. Comyn zu und
fragte in einem Ton, der an Kälte dem seinen um nichts nachstand: «Nun, Sir?
Was haben Sie auf dem Herzen?»
«Eine
Menge, Juliana. Du konntest mir zuliebe nicht einmal auf einen Ball
verzichten.»
«Bitte,
mach dich nicht lächerlich, Frederick!» sagte sie scharf. «Warum sollte ich?»
«Weil ich dich
immerhin darum gebeten habe. Wenn du mich lieben würdest ...»
Sie zerrte
nervös an ihrem Taschentuch. «Du erwartest entschieden zuviel von mir.»
«Demnach
ist es also zuviel, wenn ich mir erwarte, daß du einen Abend in meiner
Gesellschaft diesem Ball hier vorziehst?»
«Jawohl,
ganz richtig!» antwortete Juliana. «Soll ich vielleicht lieber zu Hause
bleiben, um mir wieder einmal eine Strafpredigt von dir anzuhören? Denn was
anderes als mich zu schelten tust du ja nicht, das weißt du!»
«Wenn du
meine Ermahnungen als Schelte auffaßt ...»
«Was
brauchst du mich überhaupt dauernd zu ermahnen? Wenn ich mir vorstelle, daß das
so weitergeht, wenn wir erst verheiratet sind, bleibe ich wirklich lieber
ledig.»
Mr. Comyn
wurde eine Spur blasser. «Dann ersuche ich dich jetzt um eine klare Antwort,
Juliana – ist das dein Ernst?»
Juliana
wandte ihr Gesicht ab. «Oh, sicher! Sieh mal, ich will mich ja nicht mit dir
streiten, aber jedesmal, wenn du kommst, benimmst du dich wie der leibhaftige
Racheengel, so als hätte ich kein Recht, auf eine Gesellschaft zu gehen, und
dürfte immer nur daheim im stillen Kämmerlein sitzen und an dich denken. Du
glaubst offenbar, weil du an dein ländliches Maulwurfdasein gewohnt bist, muß
ich genauso langweilig sein, aber da täuschst du dich gewaltig, mein Lieber,
denn dazu bin ich bei Gott nicht geboren.»
«Es war
keineswegs notwendig, das zu betonen, Madam, denn ich habe mittlerweile längst
erkannt, daß Sie zu nichts anderem fähig sind, als einzig und allein Ihrem
Vergnügen nachzujagen.»
«Ach,
tatsächlich?» sagte Miss Marling, der eine verräterische Röte in die Wangen
stieg. «Bitte, nehmen Sie sich kein Blatt vor den Mund, Sir! Sagen Sie mir
schon, daß ich selbstsüchtig bin, denn das ist zweifellos Ihre Überzeugung.»
«Und wenn
es so wäre, sind Sie ausschließlich selbst schuld daran», erwiderte Mr. Comyn
bedächtig.
Julianas
Unterlippe zitterte. «Es wird Sie interessieren, daß es Leute gibt, die absolut
keine so schlechte Meinung von mir haben!»
«Das ist
mir nicht entgangen», sagte Mr. Comyn mit einer Verneigung.
«Sie sind
ja bloß eifersüchtig, das ist alles!» rief sie.
«Gesetzt
den Fall, Sie hätten recht, geben Sie mir vielleicht keinen Grund dazu?»
«Wenn Sie
sich einbilden, daß mir jemand anderer besser gefällt, wundere ich mich, daß Sie
nicht versuchen, mich zurückzugewinnen», sagte Miss Marling, indem sie ihm
unter gesenkten Wimpern einen verstohlenen Blick zuwarf.
«Ein
Zeichen, wie wenig Sie meinen Charakter verstehen, Madam. Ich verzichte auf
eine Frau, die mir Grund zur Eifersucht geben könnte.»
«Diesen
Wunsch kann ich Ihnen gern erfüllen», antwortete Miss Marling mit blitzenden
Augen.
Ein kurzes
Schweigen folgte, dann straffte sich Mr. Comyn und sagte: «Ich
nehme Ihren Entschluß zur Kenntnis und hoffe nur, Sie werden ihn nicht eines
Tages bedauern.»
Juliana
lachte trotzig auf. «Bedauern? Gott, wie käme ich dazu? Sie sind schließlich
nicht der einzige, der mir die Ehre erwies, um meine Hand anzuhalten.»
«Nun sehe
ich, wie leichtfertig Sie mit meinen Gefühlen gespielt haben, Madam. Ich
könnte über mich selbst lachen, so gutgläubig habe ich mich aufs Glatteis
führen lassen! Immerhin hätte ich wissen müssen, was ich von einem Mitglied
Ihrer Familie zu erwarten hatte.»
Inzwischen
kochten beide bereits vor Wut. «Wie können Sie es wagen, so über meine Familie
zu sprechen!» zischte Juliana ihn an. «Bei meiner Seele, das ist die größte
Unverschämtheit, die ich je gehört habe! Vielleicht wissen Sie nicht, daß meine
Familie Sie für einen hergelaufenen Niemand hält?»
Mr. Comyn
gelang es, allerdings mit beträchtlicher Mühe, seine Stimme zu beherrschen.
«Sie täuschen sich, Madam – ich weiß es nur
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