Georgette Heyer
Lordschaft zynisch. «Ich bitte tausendmal um Verzeihung. Aber was
es auch immer sein mag – hör auf damit. Das ist ein verwandtschaftlicher Rat.»
Sie schob
trotzig das Kinn vor. «Vielen Dank, Vidal, aber ich bin gewohnt zu tun, was
ich will, und ich lasse mir von niemand etwas vorschreiben.»
«Ganz wie's
dir beliebt, Ju. Nur gib mir dann nicht die Schuld, wenn dir dein Frederick
durch die Lappen geht.»
Sie fuhr
auf. «Was? So ein Unsinn!»
«Du bist
ein dummes Ding, Ju. Was sollen diese Spielereien? Willst ihn eifersüchtig
machen, wie? Glaub mir, das geht schief!»
«Woher
willst du das wissen?» fragte Miss Marling gereizt.
Er
betrachtete sie mit einem freundschaftlich gleichgültigen Blick. «Du hast dir
den Falschen ausgesucht, mein Schatz. Dein Frederick ist nicht der Mann für
solche Tricks. Was willst du eigentlich?»
Sie begann
nervös die steife Seide ihrer Abendrobe in Falten zu legen. «Aber ich liebe
ihn», sagte sie. «Wirklich, Vidal, ich liebe ihn!»
«Ja?»
«Wenn er
nur – wenn er nur ein bißchen mehr wie du wäre!» brach es plötzlich aus ihr
heraus.
«Allmächtiger!»
rief der Marquis lachend. «Was, zum Teufel, soll denn das nun wieder heißen?»
«Ich meine
natürlich nicht in allem und jedem», erklärte Miss Marling. «Weißt du, es ist
lediglich, daß – oh, ich kann's nicht sagen! Aber angenommen, du wärst in mich
verliebt, Dominique, und ich würde – nun also, ich würde meinetwegen mit einem
anderen Mann flirten, wenn du schon unbedingt dieses gräßliche Wort
gebrauchen mußt. Was würdest du tun?»
«Ihn
umbringen», sagte der Marquis leichtfertig.
Sie packte
seinen Arm und schüttelte ihn. «Ach, das ist nicht dein Ernst! Obwohl – ja,
unter Umständen wäre dir das zuzutrauen. Vidal, könntest du zusehen, wie ein
anderer Mann dir die Frau, die du liebst, abspenstig macht? Könntest du das?
Sag's mir – aber Spaß beiseite.»
Er lächelte
noch immer, aber sie sah, daß sein Gesicht plötzlich einen harten Ausdruck
annahm. «Nein, Ju, auf keinen Fall.»
«Was
würdest du tun?» fragte Miss Marling neugierig.
Seine
Lordschaft schwieg ein paar Sekunden lang. Das Lächeln verschwand von seinen
Lippen und enthüllte, als hätte er eine heitere Maske abgenommen, einen
seltsam brutalen Zug um seinen Mund. Ein leises Knacken ließ ihn auf seine
Finger hinunterblicken, und seine grimmige Miene wurde wieder milder. «Ich
habe deinen Fächer ruiniert, Ju», sagte er, indem er ihn ihr zurückgab. Zwei
Stäbchen waren zerbrochen. «Ich schenke dir einen neuen.»
Juliana musterte
ihn sichtlich beeindruckt. «Du hast mir noch nicht geantwortet», erinnerte sie
ihn mit einem etwas unsicheren Lachen.
«Was ich
tun würde, unterscheidet sich – zu deinem Glück – gewaltig von Mr. Comyns
voraussichtlicher Reaktion.»
«Leider»,
sagte sie traurig. «Kannst du das verstehen?»
«Mein
armes, überspanntes Gänschen! Schon eine kleine Kostprobe meines
beklagenswerten Temperaments würde genügen, daß du mit fliegenden Fahnen in
die Arme deines Frederick rennst», meinte der Marquis und erhob sich. «Wo ist Mary Challoner?»
«Sie wollte
nicht mitkommen.»
«Warum
nicht?»
«Ehrlich
gestanden, Vidal, ich glaube, sie hatte keine Lust, dir zu begegnen.»
«Hol sie
der Teufel», sagte Seine Lordschaft völlig leidenschaftslos und verschwand.
Als Miss Marling
aus ihrem Alkoven trat, konnte sie ihn nirgends entdecken, und da er auch nach
einiger Zeit nicht mehr auftauchte, erriet sie ohne Schwierigkeit, daß er den
Ball verlassen hatte, um sich an eine bestimmte Adresse zu begeben.
Ungefähr
eine Stunde später schritt Mr. Comyn die breite Treppe herauf. Er hatte einen
höchst ungünstigen Zeitpunkt für sein Erscheinen gewählt, denn er kam gerade
zurecht, um zu sehen, wie Miss Marling dem entzückten Vicomte de Valmé eine
ihrer rosa Rosen spendete.
Sie stand
ein wenig abseits von der Tür zum Ballsaal, so daß sie Mr. Comyn nicht sofort
bemerkte. Der Vicomte nahm die Rose ehrerbietig entgegen und drückte sie an
seine Lippen. Dann steckte er sie sorgfältig in die Innentasche seines Rockes
und beteuerte Miss Marling, sein Herz würde nun viel schneller schlagen.
Juliana
lachte ihn aus, und in diesem Moment sah sie Mr. Comyn. Er machte ein so
finsteres Gesicht, daß es sie insgeheim doch ein wenig beunruhigte. Trotzdem
beging sie den schweren Fehler, ihre Unsicherheit hinter einem betont
nonchalanten Betragen zu verbergen. «Oh», sagte sie, indem sie ihn mit
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