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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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sich
auch Miss Challoner und ging langsam hinauf in ihr Schlafzimmer.
    Ungefähr
nach einer Stunde hörte sie ihre Gastgeberin und Miss Marling heimkommen. Sie
stand sofort auf, schlüpfte in einen Morgenrock und klopfte leise an Julianas
Tür.
    Ihre
Freundin forderte sie auf, einzutreten. Eine schläfrige Kammerzofe war gerade
dabei, ihr aus den Kleidern zu helfen, und Mary konnte, als sie das lebhafte
kleine Gesicht prüfend betrachtete, nichts darin entdecken außer einer ganz
natürlichen Müdigkeit.
    «Oh, du bist's,
Mary?» sagte Juliana. «Du hättest mitkommen sollen. Ich habe mich großartig
amüsiert.» Sie begann heiter über alle möglichen Leute und die Toiletten, die
sie gesehen hatte, zu plaudern. Ihre Augen hatten einen kalten, harten Glanz,
und ihre gute Laune war vielleicht etwas hektisch, aber es gelang ihr, die
Freundin zu täuschen. Sobald ihre Robe sicher im Schrank hing und ihre Juwelen
wieder in der Schmuckschatulle
eingeschlossen waren, schickte sie die Zofe zu Bett – zuvor mußte sie noch den
Puder aus ihrem Haar bürsten –, und Mary wagte die Frage, ob Mr. Comyn auch auf
dem Ball gewesen sei.
    Juliana
hüpfte ins Bett und rief: «Oh, komm mir bloß nicht mit diesem Mann! Ich kann
überhaupt nicht begreifen, wie ich mir jemals einbilden konnte, in ihn verliebt
zu sein. Es ist alles aus zwischen uns, und du kannst dir gar nicht vorstellen,
wie froh ich darüber bin!»
    Mary
schaute sie bekümmert an. «Aber, Juliana, du hast ihn doch geliebt – du liebst
ihn ja noch!»
    «Ich?» Miss
Marling stieß ein verächtliches Lachen aus. «Gott, wie feierlich du bist, meine
Liebe! Ich hielt es für einen Mordsspaß, ihm weiszumachen, ich würde mit ihm
durchbrennen, aber ich habe nicht einmal im Traum daran gedacht, ihn wirklich
zu heiraten.» Sie warf einen raschen Blick auf Miss Challoners ernste Züge.
«Ich heirate nämlich Bertrand de Saint-Vire», fügte sie hinzu, um ihre frühere
Behauptung zu unterstreichen.
    Diese
Eröffnung verblüffte Miss Challoner etwa im gleichen Maße, wie sie den Vicomte
in Erstaunen versetzt hätte, wäre er imstande gewesen, sie zu hören. «Wie
kannst du nur so etwas sagen, Juliana!» rief sie. «Ich glaube dir kein Wort!»
    «Aber warum
denn nicht?» lachte Miss Marling. «Ach, wahrscheinlich hältst du mich für
schrecklich herzlos – ja, ja, natürlich, das sehe ich dir an! Nun, ich fürchte,
über kurz oder lang wirst du feststellen müssen, daß das ein genereller Zug
unserer Familie ist.»
    «Um mich
brauchst du dir keine Sorgen zu machen», antwortete Mary ruhig. «Denn ich
werde Lord Vidal nicht heiraten, das versichere ich dir.»
    «Du kennst
meinen Cousin nicht», meinte Juliana. «Wenn er sich's in den Kopf gesetzt hat,
wird ihn nichts daran hindern – nicht einmal Onkel Justin! Gott, es wäre mir
glatt eine Guinee wert, das Gesicht meines Onkels zu sehen, wenn er es
erfährt! Obwohl ich voraussichtlich nichts daraus entnehmen könnte», ergänzte
sie nachdenklich. Sie schlang die Arme um ihre Knie. «Du bist Seiner Gnaden
noch nicht begegnet, Mary, aber für den Fall ...» Sie hielt inne. «Nein, ich
kann dir keinen Rat geben. Ich lege mir immer genau zurecht, was ich ihm sagen
werde, doch wenn es dann soweit ist, war alles umsonst.»
    Miss
Challoner ging nicht darauf ein. «Juliana, sei jetzt bitte ehrlich: Hast du
dich mit Mr. Comyn gestritten?»
    «Himmel,
ja, oft genug, aber Gott sei Dank war es heute das letzte Mal!»
    «Wenn du
erst darüber schläfst, wird es dir sicher leid tun.»
    «Das spielt
nicht die geringste Rolle. Mama hätte mir ohnehin nie erlaubt, ihn zu
heiraten. Es mag zwar recht amüsant sein, eine Entfüh rung zu planen, aber am
Ende wäre es bestimmt gräßlich, sich an jemand zu binden, der überhaupt nicht
in meine Welt paßt.»
    «Ich wußte
gar nicht, daß du so egoistisch bist, Juliana», sagte Miss Challoner. «Gute
Nacht.»
    Juliana
erwiderte diesen Gruß mit einem lässigen Nicken und wartete, bis ihre Freundin
die Tür hinter sich zuzog. Dann vergrub sie ihr Gesicht in den Kissen und
vergoß bittere Tränen.
    Mittlerweile
schlüpfte Miss Challoner wieder ins Bett und dachte über den seltsamen Antrag
nach, den man ihr heute gemacht hatte.
    Der
Abscheu, mit dem sie Julianas Benehmen erfüllte, wurde durch ihre Überraschung
nicht gemildert, und sie neigte allmählich zu der Ansicht, daß ein weniger
exaltierter Mensch den Charakter der ganzen Familie Alastair einfach nicht
begreifen konnte. Lord Vidal war

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