Georgette Heyer
ihrer Mutter überstieg. Miss Milborne vermochte auch keinen
vernünftigen Grund für ihr Betragen anzugeben. Sie sagte nur, sie liebe den
Herzog nicht, aber das war eine zu leichtfertige Äußerung, um von ihrer Mama
akzeptiert zu werden. Man hatte Miss Milborne, die sich oftmals in dem riesigen
Palast verirrte, durch die blühenden Ländereien gefahren, sie hatte auf
goldenen Tellern gespeist und war von einer Armee livrierter Lakaien bedient
worden, sie sah sich als Herrin all dieses Glanzes und blieb von dieser Vision
– was nur menschlich war – nicht unberührt. An ihrer Seite befand sich aber die
völlig unromantische Gestalt ihres herzoglichen Bewerbers, ein Vorbild übertriebener
Höflichkeit, der ihr eine Art dünkelhafter Verehrung entgegenbrachte und ihr
seine Bewunderung in einer Weise zu verstehen gab, die eher einer Akkolade
glich. Seine Gnaden war in seinen Annäherungen an die Dame, die er zu seiner
Frau erkoren hatte, ebenso korrekt wie in allen übrigen Einzelheiten seines
wohlgeordneten Lebens, und der größte Gefühlsausbruch, dem er sich hinzugeben
gestattete, bestand darin, daß er ihre Hand inbrünstig an die Lippen preßte.
Miss Milborne zweifelte, ob es ihm je in den Sinn kommen würde, sie in eine
brutale Umarmung zu reißen, um sie mit Küssen zu ersticken, wie es sich Lord
Wrotham mit bedauerlich wenig Bedenken hatte zuschulden kommen lassen. Sie
wußte, er würde mit ihr nie toben und wüten, er würde aber auch nie überspannte
Dinge tun, er würde ihr nie drohen, sich eine Kugel vor den Kopf zu schießen,
oder seine ganze Energie dazu aufwenden, ihr Blumen zu beschaffen, die in der
eben herrschenden Jahreszeit nicht zu haben waren. Sie dachte, daß seine
Vorstellung von Schicklichkeit es ausschließen würde, auch nur in gelindem Maße
mit ihr zu streiten, da sich stets, wenn ihm etwas an ihr mißfiel, ein mehr als
sonst üblicher unerschütterlich gleichmütiger Ausdruck über
sein Antlitz breitete und er sich aus ihrer Nähe zurückzog, um nach einer
wohlberechneten Zeitspanne, als ob nichts geschehen wäre, was die Harmonie
ihrer Beziehung stören könnte, wieder aufzutauchen. Er mißbilligte das jeu, nahm kein größeres Interesse am Rennsport, als es der Mode seines Standes
entsprach, wählte seine Freunde unter den gesetzteren seiner Altersgenossen,
liebte es, über so trübselige Themen zu moralisieren, wie den Verfall der
heutigen Sitten, über die Frivolität der jüngeren Leute und den Mangel an
sittsamer Zurückhaltung, den man bei den jungen Mädchen feststellen konnte, die
gegenwärtig die gute Gesellschaft zierten.
Und
plötzlich, als alles im besten Gange war, um mit einer brillanten Verlobung zu
enden, wurde sich Miss Milborne darüber klar, daß sie Severn nicht heiraten
könne. Entsetzt darüber, daß sie seine Werbung durch ihr eigenes Verhalten
ermutigt hatte, wünschte sie, George hätte sie nie dazu getrieben, die
Einladung der Herzogin nach Severn Towers anzunehmen, und tat, was sie konnte,
um Seine Gnaden daran zu hindern, sich ihr zu erklären. Ihr Verhalten ihm
gegenüber war nichts als ein beständiger Rückzug, der selbst bis zu dem Grad
äußerster Kühle ging. Die Herzogin, die es bemerkte, wiederholte ihre Ansicht,
daß Isabella ein sehr wohlerzogenes Mädchen sei, denn ein so förmliches, zurückhaltendes
Wesen entsprach genau ihrer eigenen Vorstellung wohlerzogenen Betragens.
George wäre schon durch ein Zehntel dieser abweisenden Kühle, die sie dem
Herzog gegenüber zeigte, in Verzweiflung geraten, aber Severn, der genau wußte,
daß er das große Los auf dem Heiratsmarkte war, lebte es als
bewunderungswürdige mädchenhafte Keuschheit aus und fühlte sich nicht im
geringsten entmutigt. Miss Milborne dagegen fühlte sich in die Enge getrieben,
und wenn Lord Wrotham in den Towers erschienen wäre, so hätte er sie – gewiß
mit ihrer Zustimmung – auf den Sattel seines Rosses setzen und mit ihr davonreiten
können. Aber obwohl Seine Lordschaft ihr, hätte er eine Ahnung von diesem
Wunsch gehabt, zweifellos diesen Gefallen getan hätte, kam ihm dieser Gedanke
nicht, und der gute Ruf des herzoglichen Ahnenschlosses wurde durch seine
romantische Gegenwart nicht gestört. Der Herzog erklärte sich – und Miss
Milborne lehnte seinen schmeichelhaften Antrag ab. Die Herzogin war ebenso
verblüfft wie beleidigt; und Mrs. Milborne verlieh ihrer unerschütterlichen
Meinung Ausdruck, daß ihre unglückliche Tochter den Verstand verloren haben
müsse.
Sie
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