Georgette Heyer
kam
unverzüglich auf den Zweck seines Besuches zu sprechen.
Isabella
war sehr betroffen. Im Gegensatz zu seiner Tante, Lady Sefton und Mr. Ringwood
erklärte sie, sie glaube nicht, daß Sherry für Heros Flucht verantwortlich zu
machen sei. Da sie selbst nie das geringste Verlangen gehabt hatte, vom streng
Konventionellen abzuweichen, war sie über die Erzählung von dem geplanten
Wettrennen reichlich entsetzt. Sie vermochte sich nicht vorzustellen, wie eine
Dame, die den geringsten Anspruch auf vornehmes Betragen oder Schicklichkeit
erhob, einen derartigen Vorschlag auch nur anhören konnte, ohne über diese
Demütigung zu erröten. Sie brachte es nicht über sich, Sherry zu tadeln, da er
doch ziemlich heftig provoziert worden war; und sie hätte ihm die wärmste
Anteilnahme entgegengebracht, wenn er sie akzeptiert hätte. Aber sein Eigensinn
war so beschaffen, daß er, sobald er sich in Gesellschaft einer Person befand,
die reine Partei ergriff, keine Mühe scheute, um zu versichern, daß die Schuld
vom Anfang bis zum Ende bei ihm liege, und wenn seine Hero in ihrem Urteil
gefehlt haben sollte, dann sei es nur aus Unwissenheit geschehen, und weil er
sie vernachlässigt hatte. Miss Milborne dachte, daß ihm diese Gefühle nur Ehre
machten, was sie ihm auch sagte, worauf Seine Lordschaft bloß kurz ausrief:
«Dummes Zeug!»
Sie hätte
ihm jegliche Hilfe, deren sie fähig war, zuteil werden lassen, aber es gab mit
dem besten Willen der Welt nichts, was sie tun konnte, da sie nicht mehr Ahnung
hatte als er, wo sich Hero verborgenhielt. Sie waren seit Jahren nicht mehr so
vertraut gewesen. Aber sie hatte nur einen Gedanken, und der war äußerst
schmerzlich. Sie fragte Sherry mit einer gewissen Verlegenheit, ob er mit Lord
Wrotham gesprochen habe.
«Er weiß
nichts», erwiderte Sherry ungeduldig. «Er glaubt, daß sie wegen einer
Unpäßlichkeit auf dem Lande ist.»
Miss
Milborne glättete ihr Taschentuch sorgfältig. «Ich dachte nur – Sherry,
manchmal schien es mir, daß – daß George eine besondere Vorliebe für Hero zur
Schau trug.»
«Ach, da
war nichts dabei», sagte er. «Du lieber Gott, du könntest doch endlich wissen,
daß George außer dir jede Frau völlig gleichgültig ist.»
Miss
Milborne errötete leicht, blickte auf, und es schien, als ob sie gerne noch
mehr gesagt hätte. Aber Sherry, der sich außer für sein eigenes dringendes
Problem für nichts interessierte, hatte sich bereits erhoben und war im
Begriff, sich zu verabschieden. Isabella hielt ihn nicht zurück; nach einiger
Überlegung wußte sie nicht einmal, was sie ihm hatte sagen wollen. Als sie sich
die Hände reichten, erzählte sie ihm ein wenig verlegen, daß sie für einige
Zeit nach Kent fahren werde. Er nahm dies ohne jegliche Überraschung und ohne
weiteres Interesse einfach zur Kenntnis und empfahl sich. Miss Milborne gab
sich Mühe, seine 'Teilnahmslosigkeit nicht als schlechte Behandlung zu
empfinden, sie komme aber nicht umhin, darüber nachzudenken, wie merkwürdig es
sei, daß Seine Lordschaft ein junger Mann war, dem so ungewöhnlich wenig;
auffiel. Denn Miss Milborne hatte sich zum erstenmal im Leben solchermaßen
verhalten, daß es ihren eigenen Interessen zuwiderlief, wodurch sie mit ihrer
Mama in Widerspruch geriet und diese würdige Dame zu der Prophezeiung
veranlaßte, daß sie eine Zukunft als lediges Mädchen erwarte, die überdies von
allen jenen Unglücksfällen begleitet sein würde, welche, wie man allgemein
annahm, alten Jungfern bevorstanden. Miss Milborne, die mit der Absicht nach
Severn Towers fuhr, die Hoffnungen ihrer Mama gehorsam zu erfüllen, war von der
Herzogin mit allen Anzeichen besonderer Auszeichnung empfangen worden. Eine
Reihe im Range zweifellos höherstehender Gäste war ebenfalls anwesend, aber
Isabella fühlte, daß sie der Ehrengast war, und es wurde ihr nicht schwer, die
huldvolle Auszeichnung ihrer Gastgeberin als Zustimmung zu Severns Werbung
auszulegen. Man hatte sie durch den ganzen riesigen Komplex geführt, ja sogar
bis in die Wäsche- und Vorratskammern. Sichtlich interessierte
Familienbedienstete hatten vor ihr geknickst; die Wirtschafterin hatte sie in
die Geheimnisse des Schloßbetriebes eingeführt; und die Herzogin hatte ganz
beiläufig über ihre Pläne gesprochen, falls ihr Sohn ihr seine Verlobte bringen
würde. Nichts hätte schmeichelhafter sein können, und warum Miss Milborne
plötzlich von panischer Angst ergriffen wurde, war eine Sache, die das
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