Georgette Heyer
Appleby.
Dringendes Befragen über die Art der Annäherung Mr. Yarfords veranlaßten ihn,
seine erste Eingebung, diesem ungezogenen jungen Gentleman seine Sekundanten
zu schicken, nicht ohne Bedauern wieder fallenzulassen. Der Viscount, der zum
erstenmal im Leben eine Entscheidung für zwei Menschen zu treffen hatte, war
sich darüber klar, daß er, wenn er Mr. Yarford zur Rechenschaft zog, Hero in
einen Skandal verwickeln würde, den er zu vermeiden wünschte. Sosehr es ihm
gegen den Strich ging, hatte er doch Verstand genug, sich zu sagen, daß er am
besten daran täte, die Eskapade seiner Frau offiziell nicht zur Kenntnis zu
nehmen. Da Mr. Yarford durch den Boxhieb eines stämmigen Kleinbürgers
lächerlich gemacht worden war, konnte man es als sicher annehmen, daß er
selbst über die Ereignisse des Tages strengstes Stillschweigen bewahren würde.
«Kein
Mitglied der Familie Yarford ist der richtige Verkehr für dich, Kätzchen»,
sagte er plötzlich. «Auch Brockenhurst nicht. Ja, ich weiß, daß ich selbst mit
ihm ziemlich gut bekannt bin, aber das hat nichts zu bedeuten. Ein junger Mann
kann mit einer Reihe von Lebemännern verkehren, die er seiner Frau keinesfalls
vorstellen würde.» Plötzlich erinnerte er sich, daß es genau das war, was er
getan hatte, und fügte hinzu: «Hätte ihn nie hierher einladen dürfen, um mit
uns zu dinieren. Das Pech ist, daß ich immer wieder vergesse, ein verheirateter
Mann zu sein.»
«Um dir die
Wahrheit zu gestehen, Sherry, er hat mir nicht sehr gut gefallen», gestand
Hero. «Und ich war recht empört über Gussies eigensinniges Benehmen. Weißt du,
als wir noch Kinder waren, hat sie sich nie so komisch benommen. Obwohl ich
natürlich weiß, daß viele Damen Liebhaber haben, glaube ich nicht, daß es guter
Ton ist, ihnen zu gestatten, sie so familiär zu behandeln, wie es Sir Matthew
tut.»
«Wer hat
dir gesagt, daß viele Damen Liebhaber haben?» fragte der Viscount. «Jetzt sag
aber ja nicht, daß ich es gewesen bin. Ich habe dir nie etwas Derartiges gesagt!
Das kann ich beschwören!»
«O nein,
aber da ich jetzt etwas in der Welt herumgekommen bin, weiß ich hunderterlei
Dinge, von denen ich früher nicht die geringste Ahnung hatte», erklärte Hero
nicht ohne Stolz. Sie sah ihn fragend an. «Und das war es doch wohl, was du
gemeint hast, Sherry, als du sagtest, daß du gegen das, was ich tue, nichts
einzuwenden hast, vorausgesetzt, daß es taktvoll geschieht?»
Der
Viscount sah ihr voll in die Augen. Es war tatsächlich genau das, was er
gemeint hatte. Er überlegte, ob sich in seiner Familie ein Fall von
Geistesgestörtheit befunden hatte, und erwiderte kurz: «Nein, das war es
nicht!»
«Oh!» rief
Hero aus. Dann meinte sie: «Ich glaube, du hältst mich zu jung für derartige
Dinge?»
«Gewiß.
Viel zu jung!» erwiderte Seine Lordschaft nachdrücklichst. «Oh!» sagte Hero
nochmals und weiter nichts.
Einige Tage
danach begleitete Sherry sie zu einem Gala-Abend in die Vauxhall Gardens, zu
dem er eine kleine, gut zusammenpassende Gesellschaft eingeladen hatte. Auch
Miss Milborne befand sich unter den Gästen, deren Mutter, nicht ohne eine
gewisse Besorgnis zu äußern, schließlich doch zugestimmt hatte, sie von Hero
chaperonnieren zu lassen. Nichts hätte harmonischer sein können als diese
Gesellschaft oder korrekter als die Aufmerksamkeit des Viscount seinen Gästen
gegenüber; das einzige, was den Frieden und die Harmonie des Abends beeinträchtigte,
war der heftige Streit, der sich zwischen Miss Milborne und Lord Wrotham
entspann, als sich der Herzog von Severn – kaum daß er die Unvergleichliche
erblickt hatte – von seiner Gesellschaft losmachte und sich für den größten
Teil des Abends der des Viscount anschloß. Das war natürlich äußerst
bedauerlich, aber da Miss Milborne viel zu wohlerzogen war, um ihre Verärgerung
zu zeigen, und jedermann an die Anfälle schlechter Laune bei Lord Wrotham
gewöhnt war, vermochte der Zwischenfall das Vergnügen der übrigen Gäste nicht
wesentlich zu beeinträchtigen.
11
Der Streit, der in Vauxhall Gardens
zwischen Miss Milborne und Lord Wrotham ausgebrochen war, währte länger, als
man erwartet hatte. Wrotham, dessen Zorn inzwischen verraucht war, wollte
Isabella am nächsten Tag einen Besuch machen, um sich bei ihr zu entschuldigen.
Doch Miss Milborne war dermaßen erzürnt, weil er ein öffentliches Lokal für den
Streit gewählt hatte, daß sie sich weigerte, ihn zu empfangen. Als aber der
Herzog von
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