Georgette Heyer
frequentierte, herausgeholt
hatte, befand sich der Viscount in einer noch weit schlechteren Laune als zuvor
und hatte mit seinen ungeschickten Versuchen, den «Wasserfall-Stil» zustande zu
bringen, nicht weniger als fünf Halstücher völlig verdorben. Eine halbe Stunde
später befand er sich schließlich in korrekter Ballkleidung, und es war bereits
fünf Minuten nach elf, als er beim Almack-Club vorfuhr. Nichts hätte sich
unglücklicher treffen können. Denn die Clubregeln, von den despotischen Damen
des Vorstandes festgelegt, wären selbst für den Herzog von Wellington nicht
gelockert worden. Obgleich die Höflichkeit des Clubpräsidenten Willis kaum zu
überbieten war, verhalfen weder Schmeicheleien noch Heftigkeit dem Viscount
dazu, Einlaß in den Club zu finden. Da er nicht das geringste Verlangen hatte,
den Rest des Abends in Cribb's Parlour zu verbringen, sah er sich genötigt,
nach Hause zurückzukehren und sich die Zeit damit zu vertreiben, die Seiten
eines Buches zu durchblättern, mit sich selbst zu würfeln – wobei die rechte
Hand gegen die linke spielte – und über das Unrecht zu brüten, das ihm angetan
worden war. Was immer er auch im Kreise seiner Freunde tun mochte, so gehörte
er doch nicht zu jenen, die Gefallen daran finden, allein zu trinken. Als
daher Lord Wrotham seine schöne Schutzbefohlene kurz vor zwei Uhr nach Hause
zurückbrachte, wurde ihnen die Tür von einem strohnüchternen, aber
furchteinflößenden jungen Mann geöffnet, der sich vor seinem Freund steif
verbeugte, ihm in eisigem Ton für seine freundlichen Dienste dankte und seiner
Hoffnung – äußerst unfreundlich – Ausdruck gab, daß er und Mylady sich
leidlich gut unterhalten hätten.
George,
etwas erstaunt über diesen Empfang, versicherte, er habe einen bezaubernden
Abend verbracht. Hero, an die diese übertrieben höfliche
Form des Viscount völlig verschwendet war, sagte lebhaft: «Sherry, war es nicht
sehr freundschaftlich von George, mich dann doch noch auf den Ball zu
begleiten? Es war wirklich reizend, und ich wollte, du wärest mit uns gekommen,
denn es war heute abend einfach alles dort. Dein Onkel Prosper war mit den
Cowpers gekommen, und denk dir nur, Sherry, er machte mir Komplimente über
meine Toilette und sagte, ich hätte einen ausgesprochen persönlichen Stil. Ach
ja, auch meine Cousine Jane war mit Cassy und Eudora erschienen, und sie war zu
mir ungemein liebenswürdig, weil ich den Walzer – die liebe Lady Sefton sagte
mir, ich dürfe ihn jetzt tanzen, weil ich im Club aufgenommen worden bin,
glaube also ja nicht, daß ich wieder in irgendeiner Verlegenheit bin –, also
weil ich den Walzer mit Duke Fakenham tanzte und sie den besonderen Wunsch
äußerte, ihn kennenzulernen. Ach, Sherry, denk dir nur, ich bin imstande,
meiner Cousine Jane einen Gefallen zu erweisen. Ich wollte, ich hätte damit
mehr Erfolg gehabt, aber ich fürchte, es war nicht der Fall, denn Duke
verbeugte sich nur, machte wenige Minuten alltägliche Konversation und forderte
Cassy überhaupt nicht auf, mit ihm zu tanzen.» Hero wendete sich um und
streckte Lord Wrotham ihre Hand entgegen. «Danke, George. Es war ein bezaubernder
Abend und wirklich schön von Ihnen, mich auf den Ball zu begleiten.»
Er ergriff
ihre Hand, drückte sie herzlich und versicherte ihr mit warmen Worten, der Dank
wäre auf seiner Seite, er hätte sich wunderbar unterhalten und könne sich
keinen schöneren Abend wünschen. Da ihn der Viscount nicht ermutigte, länger zu
verweilen, wünschte er eine gute Nacht und empfahl sich.
«Ich hatte
nicht erwartet, dich schon so früh zu Hause anzutreffen, Sherry», sagte Hero
unschuldig. «War deine Gesellschaft denn so langweilig?»
«Wenn ich
gewußt hätte – aber ich kann mir nicht denken, wie ich es hätte wissen sollen
–, daß du den Wunsch hattest, auf den Ball zu gehen, dann hätte ich dich
selbstverständlich selbst hinbegleitet», sagte Seine Lordschaft steif. «Ich
verstehe nicht, warum du mir erzählst, du hättest Kopfschmerzen, um gleich
darauf, nachdem du mich glücklich weggeschickt hast, mit Wrotham hinzugehen!»
«Dich
weggeschickt?» rief Hero ziemlich bestürzt aus. «Oh, Sherry, nein. Ich dachte,
du hättest keine Lust. Und sage jetzt ja nicht, daß du gehen wolltest. Ich wäre
doch viel lieber mit dir hingegangen als mit George.»
«Ich fühle
mich äußerst geschmeichelt», sagte Seine Lordschaft. «Ich dachte, du hast dich
mit George so prächtig unterhalten.»
«Ja, das
habe
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