Georgette Heyer
bös,
und – oh, Gerard, ich hab so Angst vor ihm!»
«Er ist das größte Biest auf der
Welt!» sagte Gerard, und seine Stimme zitterte vor Empörung. «Du mußt ihm
sofort mitteilen, daß du ihn nicht heiraten kannst!»
Ihre Augen wurden groß vor
Bestürzung. «Die Verlobung aufllösen? Das kann ich nicht! M-mama würde mir
das nicht erlauben!»
«Emily, liebste Emily, sie kann dich
nicht zwingen, irgend jemanden gegen deinen Willen zu heiraten! Du mußt nur
fest bleiben!»
Etwas weniger Festes als Emily,
während sie diesen kühnen Worten lauschte, hätte man sich schwer vorstellen
können. Sie war nun so blaß, wie sie einen Augenblick vorher rot gewesen war, ihre
Augen standen voller Angst, und sie zitterte am ganzen Körper. Was immer er
nachdrücklich behaupten mochte, nichts schien sie überzeugen zu können, daß sie
dem vereinten Angriff ihrer Mutter und Lord Rotherhams zu widerstehen imstande
wäre. Allein der Gedanke, zwei so furchterregenden Menschen entgegentreten zu
müssen, machte sie ganz krank. Außerdem war die Alternative zu der Ehe mit
Rotherham, sowenig Gerard dies bedenken mochte, fast noch schlimmer, da sie
keinerlei Erleichterungen wie Krönchen und vornehme Stellung mit sich bringen
würde. Mama hatte gesagt, daß Damen, die Verlobungen lösten, bis ans Ende
ihrer Tage um den Verlobten trauern mußten, und sie hatte ganz recht, denn man
denke bloß an Lady Serena, die so schön und klug und doch immer noch
unverheiratet war! Und sie selbst würde daheim leben müssen, mit Miss Prawle
und den Kindern, und in Schande sein und zusehen müssen, wie alle ihre
Schwestern heirateten und auf Gesellschaften gingen und – o nein, unmöglich!
Das verstand Gerard nicht!
Aber Gerard versicherte ihr, daß
keines dieser Übel je eintreffen würde – oder zumindest nur für kurze Zeit.
Denn Gerard hatte einen schlauen Plan entwickelt, und er bildete sich stark
ein, wenn er ihn ihr erst erklärte, würde seine angebetete Emily merken, daß
ihrem gemeinsamen Ziel nichts besser dienen konnte als die Verlobung Rotherhams
und deren Bruch. «Denn wenn du dich nicht verlobt hättest, meine Angebetete,
hätte deine Mama weiterhin geplant, dich mit irgendeinem Mann von Rang und
Vermögen zu verheiraten, und ich bin überzeugt, man hätte sie nie dazu bringen
können, auf meine Werbung zu hören. Aber wenn du Rotherham absagst, wird sie es
für nutzlos halten, weiter darauf zu beharren, wird sehr wahrscheinlich in der
kommenden Saison Anne in die Gesellschaft einführen und dich in Gloucestershire
zurücklassen.»
«Anne?» rief Annes ältere Schwester
empört aus. «Die wird dann erst sechzehn sein, und überhaupt, das könnte ich
nicht ertragen!»
«Ja, ja, nur höre mich an!» bat
Gerard, brennend vor Eifer. «Ich werde im November 1817 großjährig – das ist
nur wenig mehr als noch ein Jahr! Und dann wird Rotherham gezwungen sein, mich
in den Besitz meines Vermögens gelangen zu lassen – nun, genaugenommen ist es
nicht gerade ein Vermögen, aber es bringt mir so ziemlich fast dreihundert
Pfund im Jahr ein, was wenigstens Unabhängigkeit bedeutet. Ich bin nicht ganz
sicher, ob Rotherham es mir schon jetzt zahlen müßte, wenn ich Cambridge
verlassen würde, weil es mir mein Vater hinterließ – nun ja, Vetter Rotherham
zu treuen Händen für mich –, damit für mein Schulgeld und meinen Unterhalt
gesorgt sei. Nur gibt es mir Rotherham als Apanage und hat es vorgezogen, für
meine Erziehung selbst aufzukommen. Ich jedenfalls habe ihn nicht darum
gebeten, und es wäre mir eigentlich lieber, er täte es nicht, weil ihm
verpflichtet zu sein das letzte ist, was mir behagen kann! Ich bin überzeugt,
er hat mich nach Eton geschickt, nur um mich in seine Gewalt zu bekommen! Aber
das ist nicht so wichtig. Der springende Punkt ist, daß ich fürchte, er kann
mich zwingen, meine Zeit in Cambridge abzusitzen – und, weißt du, ich glaube
selbst, daß ich das vielleicht doch sollte, weil ich vorhabe, eine politische
Laufbahn einzuschlagen, und dazu wäre mein akademischer Grad nützlich, nehme ich
an. Einer meiner besten Freunde ist mit Lord Liverpool verwandt und hat Einfluß
auf ihn, und er ist sehr bereit, mir einen Gefallen zu tun. Du siehst also, daß
ich ausgezeichnete Aussichten habe, ganz abgesehen von meiner Dichtung!
Rotherham mag ja vielleicht nicht der Ansicht sein, daß Dichten eine
einträgliche Beschäftigung ist, aber nimm nur Lord Byron! Der muß doch einfach
ein Vermögen gemacht haben,
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