Georgette Heyer
von Scarborough hergekommen, um dich zu sprechen! Schnell,
wo können wir einander treffen?»
Ihre Hand zitterte in der seinen;
sie flüsterte: «Oh ...! Ich weiß nicht! Es ist so schrecklich! Ich bin so
unglücklich!»
Er hielt den Atem an. «Ich wußte
es!»
Für mehr war keine Zeit; sie mußten
ihre Plätze in der Gruppe einnehmen, ihre Mienen beherrschen und ein Gespräch
führen, das dem Umstand angemessen war. Als die Figuren des Tanzes sie wieder
zusammenführten, sagte Gerard: «Wird mir deine Großmama erlauben, sie zu
besuchen?»
«Ja, aber bitte sei vorsichtig! Sie
sagte, ich dürfe nicht zu freund lich sein, erst als ich ihr sagte, daß du
Lord Rotherhams Mündel bist, und darum wird sie dich einladen, mit uns zu dinieren
und uns morgen in die Sydney Gardens zu begleiten. O Gerard, ich weiß nicht,
was ich tun soll!»
Er drückte ihre Hand. «Ich bin
gekommen, um dich zu retten!»
Sie fand nichts Lächerliches an
dieser Ankündigung, sondern warf ihm einen Blick voll überströmender
Dankbarkeit und Bewunderung zu, als sie wieder getrennt wurden, und wartete
voll Hoffnung darauf, zu erfahren, wie ihre Rettung bewerkstelligt werden
sollte.
Gerard dinierte in Beaufort Square,
gab sich unendliche Mühe, sich bei Mrs. Floore beliebt zu machen, und
begleitete die Damen in die Sydney Gardens, wo verschiedene Unterhaltungen vom
Feuerwerk bis zum Tanz für die Kurgäste von Bath arrangiert worden waren. Zum
größten Glück traf Mrs. Floore eine Freundin, die seit einigen Wochen im Lyme Regis
wohnte. Natürlich hatten die beiden Damen einander eine Menge zu erzählen;
Gerard ergriff die Gelegenheit und bat um Erlaubnis, Emily die Wasserfälle zu
zeigen, die anläßlich der Veranstaltung illuminiert wurden. «Ich werde sehr auf
sie aufpassen, Ma'am!» versprach er.
Mrs. Floore nickte gnädig. Sie hielt
ihn zwar immer noch für einen angenehmen Jungen, aber er wäre empört gewesen,
hätte er gewußt, wie schnell und wie genau sie ihn erfaßt hatte. Ihrer Meinung
nach war er ein harmloser Knabe, noch kaum flügge, aber eifrig bestrebt, jedermann
zu überzeugen, daß er ein toller Bursche war. Sie hatte sich beim Diner sehr
über die Sorglosigkeit amüsiert, mit der er Anekdoten aus den ersten Kreisen
zum besten gab; und als er, ermutigt durch eine Gutmütigkeit, die er für
Respekt hielt, einige Allüren eines Lebemanns einschaltete, zwinkerte sie
anerkennend und entschied, daß, wie stolz und empfindlich der Marquis auch
immer sein mochte, er wohl kaum daran Anstoß nehmen würde, wenn Emily sich die
Begleitung eines so unreifen jungen Herrn gefallen ließ.
Da an die zwei- bis dreitausend
Menschen in den Gärten anwesend waren, dauerte es eine Zeit, bis Gerard eine
leere und genügend entlegene Laube finden konnte. Er konzentrierte sich ganz
darauf, sie zu suchen, aber Emily, die nur fähig war, dem Augenblick zu leben,
blieb immer wieder stehen und brach in Rufe der Bewunderung vor Feengrotten
oder Kaskaden oder Girlanden bunter Lampions aus. Endlich entdeckte Gerard
doch einen diskreten Hafen und überredete sie dazu, ihn zu betreten und sich
auf die Gartenbank zu setzen. Er setzte sich neben sie, umfaßte ihre
behandschuhte Hand und stieß hervor: «Erzähle mir alles!»
Sie wußte sich nicht sehr gut
auszudrücken, und es fiel ihr schwer, diesem Befehl zu gehorchen. Ihr Bericht
über ihre Verlobung war weder fliegend noch zusammenhängend,
aber durch häufig eingeschobene Fragen war er doch imstande, sich die
Geschichte zusammenzureimen, wenn er auch durchaus nicht die Umstände
verstehen konnte, die sie bewogen hatten, sich mit einem Mann zu verloben, für
den sie nicht die Spur einer Zuneigung verspürte. Er nahm an, daß die Tyrannei
ihrer Mutter an allem schuld war, und erkannte nicht, daß die Aussicht, eine
Marchioness zu werden, für Emily einen starken Reiz besaß. Auch hatte er nicht
den leisesten Verdacht, daß sich ihre Gefühle ihm gegenüber verändert hatten.
Sie war überrumpelt worden. Sie
hatte keine Ahnung gehabt, daß Rotherham sie besonders bevorzugte, denn obwohl
er bei dem Ball in Rotherham House ihr Gastgeber gewesen war, war es Mrs. Monksleigh,
deren Name auf der Einladungskarte figuriert hatte, und Emily hatte fest
geglaubt, daß er in der Angelegenheit nichts zu sagen gehabt hatte.
«Er hat sich auch gar nicht darum
gekümmert, da kannst du sicher sein!» sagte Gerard. «Ich nämlich habe Mama
veranlaßt, dich einzuladen!»
«Oh, wirklich? Wie reizend von dir!
Ich habe
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