Georgette Heyer
ist
dort sehr gesund.»
«Bekömmlich»,
warf der Earl ein.
«Ja, und
jedenfalls bin ich nie krank. Du kannst meine Tante fragen, ob das nicht wahr
ist.»
«Ich bin
überzeugt, daß es wahr ist. Aber wir wollen uns nicht nochmals auf eine
ermüdende Erörterung dieses Themas einlassen. Ich habe für den heutigen
Tag bereits genügend Beredsamkeit über mich ergehen lassen, und es bedürfte
weit mehr als großer Beredsamkeit, um mich zu einer Zustimmung zu einer Ehe mit
einem vermögenslosen jungen Mann zu bewegen, der vorschlägt, mit dir ans andre
Ende der Welt zu reisen, bevor du achtzehn Jahre geworden bist und nachdem du
kaum ein volles Jahr in die Gesellschaft eingeführt wurdest.»
«Das hat
gar nichts zu besagen. Obwohl ich zugebe, daß es unklug wäre, Jeremy zu
heiraten, wenn ich ebenfalls arm wäre. Ich bin aber nicht arm, und so hat das
ebenfalls nichts zu besagen.»
«Ich
verspreche dir, meine Einwilligung aus diesem Grund nicht zu versagen, falls du
ihn noch immer zu heiraten wünschst, wenn er aus Brasilien zurückkehrt.»
«Und was
geschieht, wenn ihn mir ein listiges widerwärtiges Mädchen wegschnappt und
einfach heiratet?» fragte sie.
«Er
versicherte mir, ausgesprochen treu veranlagt zu sein. Wir können also hoffen,
daß er gegen alle listigen Mädchen gefeit ist», erwiderte er
leichtsinnigerweise.
«Das hoffst
du ja gar nicht! Du würdest es niemals begrüßen, wenn ich ihn heirate.»
«Nein,
natürlich nicht. Du lieber Gott, Kind, wie könnte ich wünschen, daß du dich in
so unsinniger Weise wegwirfst, und wie dürfte ich dir dazu noch verhelfen, wenn
du kaum aus dem Schulzimmer heraus bist!»
«Wäre er
ein Mann von Rang und Vermögen, würdest du nie sagen, daß ich zu jung bin!»
«Meine
Liebe, wäre er ein Mann von Rang und Vermögen, würde er nie einen Posten als
eine Art Sekretär in Rio de Janeiro akzeptieren. Wenn es dich aber tröstet, so
kann ich dir verraten, daß ich dich vor einem oder zwei Jahren überhaupt nicht
verheiratet sehen möchte.»
«Ach,
sprich nicht mit mir, als wäre ich noch ein dummes kleines Kind!» rief sie
leidenschaftlich.
«Na ja, ich glaube eigentlich nicht, daß
du sonderlich klug bist», sagte er.
«Nein,
vielleicht bin ich nicht klug, aber ich bin
kein Kind und weiß, was ich will. Du bist aber auch nicht klug, wenn du
glaubst, ich könnte mich ändern oder Jeremy vergessen! Ich werde immer an ihn
denken und zwei volle Jahre unglücklich sein – und höchstwahrscheinlich noch
länger. Ich glaube, dir macht es gar nichts aus, denn ich habe jetzt erkannt,
daß du nicht gütig bist, was ich vorher immer dachte, sondern ganz im Gegenteil
durch und durch herzlos!»
«Aber
keineswegs», sagte er fröhlich. «Mit den besten Absichten der Welt wird es dir
nicht gelingen, völlig in Schwermut zu versinken. Es wird nämlich immer wieder
Bälle zu besuchen und neue, außerordentlich kostspielige Toiletten zu kaufen
geben.»
«Ich will
das alles nicht mehr!»
«Es wäre
schön, wenn ich dir das glauben könnte. Hast du die Absicht, dem mondänen
Leben völlig zu entsagen?»
Sie warf
ihm einen haßerfüllten Blick zu. «Du kannst mich auslachen, soviel du willst,
aber ich warne dich, Cardross. Ich bin entschlossen, Jeremy zu heiraten, was
immer du auch tust, um es zu verhindern!»
Er
erwiderte dies nur mit einer ironischen Verbeugung. Nachdem Letty ihn einen
Moment verächtlich angestarrt, rauschte sie mit dem Ausdruck eines endgültig
gefaßten Entschlusses aus dem Zimmer, was nur durch den unglücklichen Umstand
an Wirkung verlor, daß sich eine Falte ihres zarten fliederfarbenen
Musselinkleides in die Tür einklemmte, und sie sich daher gezwungen sah, sie
nochmals zu öffnen, um den Stoff zu befreien.
Zwanzig
Minuten später betrat Nell leise die Bibliothek. Der Earl sah ungehalten auf,
doch als er bemerkte, daß seine Frau auf der Türschwelle stand, änderte sich
seine Miene, er lächelte ihr zu und sagte in scherzhaftem Ton: «Wie bringst du
es nur fertig, immer noch hübscher auszusehen, als ich dich in Erinnerung
hatte?»
Sie
errötete auf anbetungswürdige Art. «Nun ja, ich hoffte, du würdest finden, daß
ich in dieser Toilette gut aussehe», gestand sie naiv.
«Gewiß.
Legtest du es nur deshalb darauf an, mich so zu blenden, damit ich sie auch
bezahle?»
Das wurde
so übermütig gesagt, daß sie Mut faßte. Es war ein großer Entschluß gewesen,
ihn an diesem Vormittag in der Bibliothek aufzusuchen, denn mit ihrer Post war
ihr ein
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