Georgette Heyer
habe,
erzählen würde, ich kümmere mich keinen Deut um seinen Reichtum.»
Der
Viscount unterdrückte die spöttische Erwiderung, die ihm auf der Zunge lag. Er
verstand. Nach einer gedankenvollen Pause sagte er: «Er würde glauben, es sei
nur die Liebe zu den schönen Dingen gewesen, was? Ja, sehr wahr, er müßte
sich's denken. Besonders», fügte er in kritischem Ton hinzu, «wenn du ihn mit
dummer Gleichgültigkeit behandelt hast. Ich habe stark den Eindruck, daß dies
der Fall war. Nun gut, wir müssen
eben einen Weg finden, um das Geld aufzutreiben – das ist alles.»
Zu dankbar
für seine Bereitwilligkeit, ihr zu Hilfe zu kommen, um an seinen freimütigen
Worten Kritik zu üben, wartete Nell nun voll Hoffnung und Vertrauen, daß er
ihr jetzt sagen werde, wie sie sich aus ihren Schwierigkeiten befreien könnte.
Darin irrte sie auch nicht. Nachdem er einige Male durch das Zimmer geschritten
war, sagte er plötzlich: «Nichts leichter als das. Ich verstehe nicht, warum
ich nicht gleich darauf gekommen bin. Du mußt natürlich etwas von deinem
Schmuck verkaufen.»
Sie legte
ihre Hand instinktiv an den Hals. «Die Perlen, die Mama mir gab? Ihre eigenen
Perlen? Das kann ich nicht, Dysart.»
«Wenn du
nicht willst, ist's ja nicht nötig, gerade sie zu. verkaufen. Nimm etwas
anderes.»
«Sonst habe
ich nichts», wendete sie ein. «Ich meine, nichts Wertvolles.»
«Du hast
nichts anderes? Was? Du trägst sie zwar nie, nichtsdestoweniger sind sie ja
fast das Lösegeld für einen König wert. Was ist denn mit deinen Saphiren, hm?»
«Dysart!
Giles' Hochzeitsgeschenk!» rief sie.
«Na, gut,
gut! Aber er schenkt dir doch immerzu neue Juwelen. Du mußt doch imstande sein,
ein oder zwei davon entbehren zu können. Er wird es bestimmt nicht bemerken.
Wenn du aber glaubst, er könnte es merken, kannst du sie doch kopieren lassen.
Ich werde das für dich erledigen.»
«Nein,
danke, Dy», sagte sie mit verzweifelter Festigkeit. «Ich werde nie etwas so
abscheulich Niederträchtiges tun! Die Juwelen verkaufen, die Giles mir
geschenkt hat ... sie in Strass-Steinen kopieren zu lassen, damit er es nicht
merkt ... oh, wie verächtlich wäre ich, würde ich ihn auf so schmähliche Art
betrügen.»
«Na, hör
mal, das ist ja eine schöne Faselei!» sagte Dysart. «Es wäre nicht ärger, als
zu einem Wucherer zu gehen ... in Wirklichkeit weniger arg!»
«Es sieht
aber ärger aus», versicherte sie ihm.
«Ich will
dir sagen, was es ist, Nell», sagte er erbittert. «Wenn du dich von diesen
übertriebenen Empfindeleien beherrschen läßt, gibt es keinen Weg, dir aus
dieser Klemme zu helfen. Wenn du deinen Schmuck nicht kopieren lassen willst,
dann erzähle Cardross, du hast ihn verloren. Ich will dir gerne glauben, daß
du die Saphire nicht missen willst, du wirst mir aber doch nicht weismachen
wollen, daß dir das Herz wegen jedes einzelnen Schmuckstücks bricht, das er
dir geschenkt hat.»
«Nein,
natürlich nicht, wenn ich sie wirklich verlieren würde. Aber alles in mir
empört sich bei dem Gedanken, sie aus einem derartigen Grund zu verkaufen.»
Nell sprach
mit soviel Entschlossenheit, daß es nutzlos schien, diese Angelegenheit weiter
zu erörtern. Der Viscount, der seine Zeit um eine bereits
verlorene Sache nie vergeudete, ließ diesen vielversprechenden Plan fallen und
bemerkte bloß, daß seine Schwester unter allen lästigen Gänsen, denen er bisher
begegnet, die Palme davontrüge. Sie entschuldigte sich, ihn so geärgert zu
haben, und fügte mit dem Versuch eines Lächelns hinzu, er solle sich wegen der
ganzen Angelegenheit nicht weiter bemühen.
Hie und da
stellte jedoch das Gewissen des Viscount in einer Weise, die ihn selbst ebenso
wie seine Kritiker beunruhigte, eine Schranke quer über den Pfad seiner unbekümmerten
Vergnügungssucht. Und gerade als er sich beglückwünschte, einer lästigen
Verpflichtung entronnen zu sein, mischte es sich wieder ein.
«Sehr schön
gesagt, wenn du verwünscht genau weißt, daß ich mir deswegen Sorgen machen
muß», sagte er bitter. «Denn eins ist gewiß. Hätte ich mir die dreihundert
Pfund von dir nicht ausgeliehen, dann befändest du dich jetzt nicht in dieser
üblen Lage. Nun, dagegen kann man jetzt nichts mehr tun. Ich muß eben trachten,
dich wieder herauszuziehen. Wenn ich Zeit habe, gründlich darüber
nachzudenken, wird mir schon ein Ausweg einfallen. Das kann ich aber nicht,
wenn du dasitzt und mich anstarrst, als wäre ich dein einziger Rettungsanker.
Macht
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