Georgette Heyer
Nell könne
alles tun, was ihr gefiel, vorausgesetzt, sie schmücke seinen Ballsaal nicht
mit rosa Kattun aus, fiel diese Erwägung nicht ins Gewicht. Sie verbrachte
eine ungemein anregende Stunde mit der Auswahl der Blumen und Blattpflanzen und
besprach mit Mr. Tubbs die verschiedenen Vorzüge von Girlanden, hängenden
Körbchen und Holzgittern, die mit grünen Pflanzen verkleidet an die Wände
gestellt wurden. Zwischen den Blättern könne man die Blumen so befestigen, daß
es aussah, als wüchsen
sie aus dem Laubwerk hervor. Nell hatte alle Sorgen vergessen und
verabschiedete sich von Mr. Tubbs mit den Ausdrücken wärmster
Anerkennung. Der hervorragende Blumenzüchter bat sie, ihm die Ehre zu
erweisen, ein Bukett anzunehmen, welches alle jene erlesenen Blüten enthielt,
die sie bei ihrer Tour durch den Garten am meisten bewundert
hatte. Es wurde ein so riesiger Strauß, daß man ihn auf den Boden der
Barutsche legen mußte. Mr. Tubbs mißgönnte ihr nicht eine einzige Blume, denn
man erhielt nicht jeden Tag einen so blendenden Auftrag,
wie ihn Lady Cardross soeben erteilt hatte. Er versicherte Mylady, sie
könne seiner Kunstfertigkeit, eine Wirkung zu erzielen, die ihre Gäste vor
Bewunderung sprachlos machte, volles Vertrauen schenken. Kaum
hatte sich ihre Barutsche in Bewegung gesetzt, als er seinen ersten Gehilfen
beiseitenahm und ihn beauftragte, alle Kräfte einzusetzen. «Denk an meine
Worte, Andy», sagte er feierlich, «wenn das nicht die große Mode wird!
Ich würde mich nicht wundern, wenn es bald so weit käme, daß wir Aufträge
ablehnen müssen.»
Nell setzte
gleichfalls große Hoffnungen darein, eine neue Mode zu kreieren. Seit ihrer
Vermählung war wohl eine Anzahl Gesellschaften im Palais
Cardross gegeben worden, doch dies war der erste große Ball, den sie gab, und
sie wollte erreichen, daß die Gäste nicht bloß sagten, es habe ein
entsetzliches Gedränge geherrscht.
Als sie
wieder zu Hause eintraf, war Letty vom. Bryanston Square noch nicht
zurückgekehrt. Sie beschäftigte sich daher, nachdem sie Hut und
Handschuhe abgelegt hatte, mit ihrem Bukett, das sie in verschiedene Vasen und
Schalen arrangierte. Sie prüfte gerade die Wirkung einer mit Blumen gefüllten
Vase auf einem der intarsierten Tischchen in der Ecke des Salons, als eine
Stimme hinter ihr sagte: «Bezaubernd!»
Es war ein
Glück, daß sie die Vase nicht in der Hand hielt, denn sie hätte sie zweifellos
fallenlassen, so sehr zuckte sie vor Schreck zusammen. Sie
hielt den Atem an, und als sie sich umwandte, bemerkte sie, daß
Cardross leise ins Zimmer getreten war und nun an der Tür stand und sie
spöttisch ansah. Er hatte seinen Fahrmantel zwar abgelegt, war aber
sichtlich eben erst in London eingetroffen, denn er trug noch immer seine
ländliche Kleidung, einen kurzen Rock, Beinkleider aus Wildleder und hohe
Stulpenstiefel.
Der Schock,
seine Stimme plötzlich zu hören, da sie ihn doch Hunderte Meilen weit entfernt
wähnte, war heftig gewesen, und ihr erstes Ge fühl war das der Bestürzung. Sie
erholte sich zwar rasch, doch nicht rasch genug, denn er hatte die Furcht in
ihren Augen bereits wahrgenommen. Der spöttische Blick verschwand und wich
einer forschenden Frage. Sie rief noch ziemlich leise: «Cardross! Oh, wie sehr
hast du mich erschreckt!»
«Ich
scheine dich weit eher in Furcht versetzt zu haben», sagte er, traf jedoch
keine Anstalten, sich ihr zu nähern, sondern fuhr fort, ihr Antlitz mit harten
schmalen Augen zu durchforschen.
«Nein,
nein», protestierte sie mit nervösem Lachen und errötenden Wangen, «wie kannst
du nur so etwas sagen? Ich bin ja so froh... ich erwarte dich nicht vor Montag
... und als ich dich plötzlich sprechen hörte ... da erschrak ich eben
tödlich.»
«Ich bitte
dich, mir zu verzeihen», erwiderte er, ohne zu lächeln, «ich hätte dich
natürlich von meiner Ankunft verständigen müssen. Bitte versuche, mir meinen
Mangel an Takt zu verzeihen.»
«Giles,
nein, wie lächerlich du bist», sagte sie und streckte ihm ihre Hand entgegen.
Er trat auf
sie zu, ergriff ihre Hand, berührte sie ganz flüchtig mit den Lippen und
verbeugte sich steif. Hierauf gab er sie unverzüglich wieder frei
und sagte: «Ja. In der Art jener Posse, welche wir im Covent Garden sahen und
für so töricht hielten. Ich sollte jetzt eigentlich nicht davor
zurückschrecken, hinter Vorhänge und unter Möbel zu schauen, um einen
verborgenen Liebhaber zu suchen.»
Die
frostige Begrüßung, welche er ihr zuteil
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