Georgette Heyer
herzlich.
«Wenn du also glaubst, es wäre nutzlos, sich an Lord Roxwell zu wenden, so will
ich dich damit nicht weiter quälen. Wir müssen uns eben einen andern Plan
ausdenken.»
Sie sprach
voll jugendlichem Optimismus, doch Mr. Allandale seufzte. «Ich wollte, wir
könnten es. Aber alles Nachdenken führt zu nichts anderem als zu der traurigen
Erkenntnis, daß wir warten müssen. Wäre dir dein derzeitiges Nadelgeld sicher,
dann geriete ich tatsächlich in Versuchung ... obwohl ich hoffe, ich würde die
Kraft finden, dieser Regung meines Herzens zu widerstehen. In der Lage, in
welcher wir beide uns befinden – du abhängig von den Launen deines Bruders, ich
mit finanziellen Verpflichtungen, die ich mit dem Wort heilig bezeichnen kann
–, ist unser Fall hoffnungslos. Eine meiner Schwestern ist, wie ich hoffe, im
Begriff, eine sehr vorteilhafte Heirat einzugehen. Mein Onkel hat immer
versprochen, Philip, sobald er zum Priester geweiht ist, eine Pfarre zu
schenken, was sich, wie ich glaube, in etwa einem Jahr ereignen wird. Doch
Edward geht noch zur Schule, und Tom wird im September gleichfalls in die
Schule eintreten. Mein Liebstes, ich kann es vor meinem Gewissen nicht
verantworten, meiner verwitweten Mutter diese schwere Last ohne meine
Unterstützung aufzubürden.»
Letty
pflichtete dem bei, allerdings ohne Enthusiasmus. Sie versuchte es mit dem
Vorschlag: «Meinst du nicht auch, daß Tom vielleicht lieber nicht in die Schule
ginge?»
Mr.
Allandale schlug sich diesen verlockenden Vorschlag, welcher Letty die Achtung
und den stürmischen Beifall ihres zukünftigen Schwagers eingetragen hätte,
ohne weiteres aus dem Sinn.
«Aber
vielleicht würde dein Onkel das Schulgeld für Tom bezahlen?»
Er
schüttelte den Kopf. «Ich fürchte – du mußt nämlich wissen, er besitzt selbst
eine zahlreiche Nachkommenschaft. Außerdem übernahm er einen Teil der Kosten
von Philips Studium. Philip ist sein Patenkind, es wäre daher nicht in Ordnung,
zu erwarten, daß er auch für Edwards oder Toms Erziehung aufkommt.»
Hierauf
folgte ein sehr bedrücktes Schweigen. Mr. Allandale brach es mit dem
lobenswerten Versuch, einen heiteren Ton anzuschlagen: «Wir müssen ein wenig
Geduld haben. Es wird zwar sehr schwer sein, aber wir haben doch die ganze
Zukunft vor uns. Cardross versicherte mir, er werde uns, wenn wir nach meiner
Rückkehr aus Brasilien noch desselben Sinnes sind, seine Zustimmung nicht
versagen. Ich halte ihn für einen Mann, der zu seinem Wort steht; und dieser
Gedanke, diese Hoffnung werden viel dazu beitragen, uns zu helfen, unsere
Trennung mit Seelenstärke zu ertragen. Ich halte ihn nicht für gefühllos, ich
hoffe daher, er wird uns nicht verbieten, miteinander zu korrespondieren.»
«Er soll es
uns nur verbieten, wenn er dazu Lust hat, ich werde mich nicht im geringsten
darum kümmern», erklärte Letty mit bebender Stimme. «Leider bin ich keine gute
Briefschreiberin, und ich will mit dir gar nicht korrespondieren! Denn ich will
bei dir sein! Oh, sprich nicht von unserer Trennung, Jeremy. Ich kann es nicht
ertragen, ich will es nicht ertragen! Cardross soll und muß mir mein Nadelgeld
auch weiterhin überweisen.»
Mr.
Allandale war diesbezüglich nicht sehr hoffnungsvoll; er hielt auch nicht viel
von einem Plan, Cardross zum Nachgeben zu zwingen. Der Erfolg dieses Plans
würde von ihrer Geschicklichkeit abhängen, sich selbst bis an den Rand der
Auszehrung zu bringen, indem sie sich weigerte, auch nur einen einzigen Bissen
zu sich zu nehmen. Jetzt begann Letty leidenschaftlich zu weinen, und nachdem
es ihm endlich gelungen war, sie mit zärtlichen Worten etwas zu beruhigen, sah
er sich gezwungen, sich von ihrer Seite zu reißen. Als er aus dem Salon trat,
trug sein blasses verstörtes Gesicht viel dazu bei, Selinas gute Meinung von
ihm wiederherzustellen. Und als sie ihre Cousine sogar noch immer leise
schluchzend vorfand, hatte sie den Eindruck, daß sich die Dinge endlich so
entwickelten, wie sie sollten. Jetzt bedurfte es nur noch einer Sache: Letty
mußte durch ihren Vormund entsetzliche Verfolgungen erleiden.
«Nun, ich
möchte lieber nicht entsetzlich verfolgt werden», sagte Letty ungehalten.
«Außerdem verfolgt er mich doch ohnedies genug!»
«Nein,
nicht genug!» erklärte Selina entschieden. «Glaubst du, er würde dich, wenn du
drohst durchzubrennen, in eine Dachkammer eures Hauses einsperren?»
«Nein,
natürlich nicht, du lächerliches Geschöpf!»
«Sie tun es
aber gewöhnlich»,
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