Georgette Heyer
gehabt, die
Ausstellung der Königlichen Akademie im Somerset House allein zu besuchen, denn
das wäre nicht nur langweilig, sondern ließe sie auch allzuleicht zur Beute
einer andern unbegleiteten Dame werden. Wahrscheinlich der Miss Berry, die man
zwar bewundern mußte, für die man jedoch keine Sympathie aufzubringen
vermochte. London war überschwemmt mit ältlichen Damen – lieben Freundinnen ihrer
Mama –, und Somerset House war genau der Ort, an dem man sie bestimmt treffen
würde. Nachdem sie einige Zentimeter Fransen geknüpft, drei Seiten von Corinne gelesen, ziemlich sehnsüchtig einige Kinder beobachtet hatte, die im Garten
des Platzes Federball spielten, und sich zu einem längst überfälligen Brief an
Miss Wilby zu entschließen versuchte, fand sie, daß der Tag für diese
sitzenden Beschäftigungen viel zu
schön sei, und beschloß, mangels einer amüsanteren Zerstreuung, nach Chelsea
zu fahren, um Tubbs' Blumen-Kindergarten in der Kings Road
zu besuchen und die Pflanzen auszuwählen, welche den Ballsaal von Cardross
House in einen märchenhaften Blumenhain verwandeln sollten.
Dieser
verschwenderische Plan war durch Lettys Wunsch entstanden, den ganzen Ballsaal
mit rosa Kattun zu verkleiden. Sie hatte diese neuartige Form
der Ausschmückung auf einem der ersten Bälle dieser Saison gesehen, was ihre
Bewunderung sogleich erregt hatte. Hunderte Ellen Kattun waren in Form eines
riesigen Zeltes gespannt worden. Alles war
entzückt gewesen und die Dame des Hauses wurde für diese bezaubernde Idee mit
Komplimenten überschüttet. Letty, völlig überzeugt, daß dies in
der kürzesten Zeit die große Mode würde, hatte Cardross in den
vergangenen Wochen abwechselnd damit gequält und dann wieder zu beschwatzen
versucht, den Ballsaal anläßlich des großen Balls, der Ende des
Monats stattfinden sollte, in ein rosa Zelt zu verwandeln. Bedauerlicherweise
hatte Cardross die Wirkung des rosa Kattunzelts keineswegs bewundert. Nachdem
ihm Letty beigepflichtet hatte, daß Kattun schäbig sei
und Seide bei weitem eleganter wäre – abgesehen davon, daß man
Lady Weldon übertreffen würde –, hatte er sich unzweideutig über diesen Punkt
geäußert, was sie in ihrer Überzeugung nur bestärkte, er sei
seiner Veranlagung nach ebenso geizig, wie sein Geschmack altmodisch war. Sie
trug keinerlei Bedenken, ihm dies auch sogleich mitzuteilen, und die Art, in
welcher er dieses vernichtende Urteil aufnahm, gereichte ihm keineswegs zur
Ehre. «Das weiß ich», hatte er ihr beigepflichtet. «Ich versichere dir, Letty,
es setzt mich selbst in Erstaunen, daß ich so egoistisch sein kann, mich der
Ausgabe von – sagen wir nicht viel mehr als einigen hundert Pfund – für eine
geeignete Dekoration des Ballsaals zu widersetzen, welche dazu bestimmt wäre,
deinen Charme noch zu unterstreichen.» Er hatte Nell einen lachenden Blick
zugeworfen und herausfordernd hinzugefügt: «Tja, wenn du mich um blauen Stoff
gebeten hättest ...»
Letty wäre
bereit gewesen, sich auf blaue Seide zu einigen, konnte aber bei Nell keine
Unterstützung finden. Nell, ebenso begierig wie Letty, für ihren Ball etwas
Neues, Aufsehenerregendes zu ersinnen, hatte nicht die Absicht – und das
verdankte sie Letty –, Lady Weldon oder eine der andern tonangebenden Damen der
Gesellschaft zu imitieren. Wenn Cardross zustimmte, würde es ihr gelingen, die
elegante Welt zu weit größerer Bewunderung hinzureißen, indem sie ihren
Ballsaal in einen feenhaften Blumenhain verwandelte. Sie hatte sich oft
gefragt, warum die Damen so wenig Gebrauch von Blumen machten: sie sollten nur
vor Neid über die Wirkung, welche sie durch ihren Geschmack, ihre
Erfindungsgabe und die Dienste eines erstklassigen Gärtners erzielte, mit den
Zähnen knirschen. Cardross gab ihr bereitwillig carte blanche. Letty,
welche diesem Plan erst widerwillig lauschte, sah sich gezwungen zuzugeben, daß
die Dekoration ebenso schön werden wie völlig aus dem Rahmen des Alltäglichen
fallen würde.
Nell fuhr
daher nach Chelsea. Kaum hatte Mr. Tubbs Lady Cardross mit schmeichelhafter
Ehrerbietung begrüßt und den Zweck ihres Besuches erfahren, als er ihre Idee
enthusiastisch aufgriff, seinen besten Gehilfen herbeirief und rasch einige
Alternativpläne für eine geschmackvolle Dekoration ihres Ballsaals entwarf.
Sie unterschieden sich in verschiedener Hinsicht, in einem Punkt blieben sie
sich allerdings gleich: alle waren außerordentlich kostspielig. Doch da
Cardross erklärt hatte,
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