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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lady April
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entweder aus Verachtung oder aus Gleichgültigkeit –,
fand sie seine kalte Nachsicht weit besorgniserregender als einen Zornesausbruch.
Obwohl seine Stimme freundlicher klang, als er sie fragte, was denn los sei,
hatte sie doch das Gefühl, von ihm kühl behandelt zu werden, und somit keine
Regung verspürt, sich ihm anzuvertrauen. Ihrer Ansicht nach hätte es keinen
Augenblick geben können, der für eine Beichte ungeeigneter gewesen wäre. Durch
den Empfang, den sie ihm bereitet, argwöhnisch geworden, verärgert, weil sie
auf seine Schwester nicht besser aufgepaßt hatte, und durch Dysarts Betragen
ohnedies aufs äußerste erbittert, konnte eine Eröffnung, daß sich seine Frau
neuerlich tief in Schulden befand und nach Kräften bemüht hatte, ihn zu betrügen,
einzig und allein die Wirkung eines Streichholzes haben, das man in
Schießpulver wirft. Es schien auch unwahrscheinlich, daß ihn die Aufklärung
über das Motiv für den Überfall dazu veranlassen könnte, Dysart mit milderen
Augen zu betrachten. In Wirklichkeit verhielt es sich, wie sie glaubte, genau
umgekehrt; da sie selbst über den Plan schon empört gewesen war, würde ihn
Cardross restlos verdammen. Wenn die Wahrheit herauskam, würde Dysart ihm
höchstwahrscheinlich erzählen, daß sie ihm dreihundert Pfund gegeben, und dann
wäre diese entsetzlich verwickelte Situation unentwirrbar.
    Diese
traurige Überzeugung lenkte ihre Gedanken auf die unmittelbare Notwendigkeit,
Dysart eine Warnung zukommen zu lassen. Cardross beabsichtigte zweifellos, ihn
zur Rede zu stellen, und es wäre nicht auszudenken,
was geschähe, wenn er etwas anderes erzählte als sie. Sie setzte sich an ihren
Schreibtisch, um unverzüglich ein Billett zu entwerfen, sah sich aber
gezwungen, einige Male zu unterbrechen, um ihre Tränen zu trocknen. Wie sehr
sie sich auch bemühte, sich zu beruhigen, die Tränen entströmten immer wieder
ihren Augen, weil es so furchtbar war, mit Dysart gegen Cardross zu
konspirieren. Sie hatte das versiegelte Billett soeben dem Lakai übergeben,
als Letty eintrat. Sofort fiel ihr ein, daß auch sie aufmerksam gemacht werden
müsse, ebenfalls zu sagen – falls Cardross sie fragen sollte, –, daß Dysart
sie wegen einer Wette überfallen habe. Sie fühlte, wie sie errötete, während
sie Letty erzählte, was sie Cardross gesagt hatte. Doch Letty war durchaus
nicht schockiert. «Aber gewiß!» sagte sie und betrachtete es als Selbstverständlichkeit.
Nell wußte kaum, sollte sie sich darüber freuen oder es beklagen.
    «Giles ist
also wieder zu Hause?» fragte Letty, während sie ihre Handschuhe langsam
abstreifte. «Gut! Ich bin wirklich froh darüber.»
    «Ja, ja, natürlich», murmelte
Nell. «Ich meine ...»
    «Weil»,
fuhr Letty mit kriegerischem Leuchten in ihren Augen fort, «meine
Angelegenheiten jetzt an einem kritischen Punkt angelangt sind.»
    «Du lieber
Gott», rief Nell erschrocken. «Was in aller Welt, mein Liebling ...»
    «In sechs
Wochen ... in weniger als sechs Wochen! ... fährt Jeremy nach Südamerika»,
kündigte Letty in schicksalsschwerem Ton an.
    «Ach Gott»,
sagte Nell. «Schon so bald? Das tut mir aufrichtig leid.»
    «Na, das
ist unnötig», sagte Letty. «Obwohl ich zugeben muß, ich hätte es vorgezogen,
nicht in so rasender Eile heiraten zu müssen. Ich habe aber nicht die Absicht,
darüber zu klagen, denn schließlich ist das ja doch nur eine Kleinigkeit.»
    Nell
betrachtete sie besorgt. «Aber, Liebste, das kommt doch nicht in Frage ... du
kannst doch nicht annehmen, daß Cardross je einwilligen wird.»
    «Weder er
noch du», blitzte sie Letty an, «kann annehmen, ich würde je einwilligen, daß
mein geliebter Jeremy England ohne mich verläßt. Giles kann mir unter diesen
Umständen seine Einwilligung nicht versagen – außer er hat ein Herz von
Stein.»
    Nell war
außerstande zu begreifen, warum die bevorstehende Abreise Mr. Allandales das Herz
von Cardross erweichen sollte, und wagte es, dies auch in Worte zu kleiden. Es
wurde sehr übel aufgenommen. Letty unterzog ihn einer leidenschaftlichen
Kritik. Ihre Rede war zwar nicht sehr zusammenhängend, doch eines war restlos
klar: Cardross wurde eine letzte Chance gegeben, seine Ansicht zu ändern.
    Was Nell
betraf, so genügte diese Szene, um dem ungewöhnlich un seligen Tag noch die
Krone aufzusetzen. Sie bat Letty inständig, mit ihm heute abend wegen ihrer
Angelegenheit nicht zu streiten. Als Letty den Kopf in den Nacken werfend
erklärte, sie habe keine Angst

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